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Kein Kettensägenmassaker bei den Wagenhallen – Vergrämung der Verantwortlichen statt der Eidechsen!

6. Januar 2025

Willkommen im Jahr 2025. Neues Jahr – und gleich wieder eine S 21 – Story. Nicht nur, dass das Geld für die Digitalisierung des Bahnknotens ausgegangen ist, Stadt, Land, Bund und Bahn sich streiten. Dank der Wachsamkeit der Fraktion Die LINKE und SÖS kam nun eine, weitere, klammheimlich geplante Umweltzerstörung ans Licht. Dieter Reicherter vom Aktionsbündnis gegen S 21 schildert den Fall. Die Umweltverbände sind gefordert! 

Fast hätten von der Öffentlichkeit unbemerkt einmal mehr Baumfällungen und Eidechsenvertreibungen begonnen nach dem bewährten Motto „Erst Fakten schaffen, dann nachdenken“. Wäre da nicht Fritz Schirrmeister in der Fraktionsgeschäftsstelle gewesen. Der stutzte bei einer Sitzungsvorlage, nach der ab Januar 2025 auf dem C1-Gelände bei den Wagenhallen 134 Bäume, darunter auch 51 nach der Baumschutzsatzung besonders geschützte, gefällt werden sollen. Zahlen sagen wenig. Es geht nicht nur um Bäume, sondern auch um unzählige Büsche. Erst recht betroffen sind die dort lebenden streng geschützten Mauereidechsen. Das Gelände soll platt gemacht werden, obwohl das derzeit nicht notwendig und rechtlich bedenklich ist.

Nach der Vorlage geht es beim Kahlschlag um die Baufeldfreimachung für die MakerCity nach der bevorstehenden Räumung der ContainerCity, die derzeit noch als „Kulturschutzgebiet“ geadelt wird. Im Zusammenhang mit Stuttgart 21 und der Rosensteinbebauung soll auch in der MakerCity Großes entstehen, ursprünglich für die Bauausstellung 2027, unter anderem auch die Interims-Oper. Doch laut jüngster Pressemitteilung der Stadt ist der Baubeginn erst für 2028 geplant.

Wagenhallen-Biotop – Lebensraum für geschützte Tiere und Pflanzen

Vernichtung eines Lebensraumes

In der Maßnahmenbeschreibung der bevorstehenden Eingriffe in Natur und Umwelt heißt es: „Im Gelände bei den Wagenhallen im Stadtbezirk Stuttgart Nord haben sich auf ca. 2,2 ha Fläche verschiedene Strukturen gebildet, welche Mauereidechsen sowie zahlreichen weiteren seltenen und gefährdeten sowie besonders und streng geschützten Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bieten.“ Noch beeindruckender eine Veröffentlichung des BUND, in der es zu den Mauereidechsen heißt: „Die Art steht stellvertretend für eine Vielzahl, oftmals sehr seltener Vogel-, Fledermaus-, Schmetterlings-, Wildbienen-, Heuschreckenarten und anderen, die ähnliche Lebensraumbedingungen benötigen.“ Die Erfolg früherer Eidechsenumsetzungen sei „mäßig bis schlecht“. Einmal mehr geht es also um die Vernichtung eines Lebensraums.

Kaum waren die Pläne für Baumfällungen und Eidechsen„vergrämungen“ und -umsiedlungen (wer nicht abhaut, wird eingefangen) an die Öffentlichkeit gelangt, zeigten sich viele Menschen betroffen. Seit den (übrigens rechtswidrigen) Baumfällungen im Schlossgarten nach dem Polizeieinsatz vom 30.9.2010, den Fällungen im Unteren Schlossgarten 2012 und zuletzt bei der Universität Vaihingen sowie den Erfahrungen auf der Feuerbacher Heide ist das Thema sehr emotional besetzt.

Die angekündigten Maßnahmen rufen nun auch Umweltverbände auf den Plan. Die Eidechsenvertreibungen seien nicht vereinbar mit europäischem Recht. Kein Wunder, dass die Landeshauptstadt zwar seit Jahren einen Masterplan für die Umsiedlungen angekündigt hat, aber weiter über keinen verfügt.

30.09.2010 – Protest am Schwarzen Donnerstag gegen die illegalen Baumfällungen

Kahlschlag ohne Baugenehmigung

Bedenklich auch der offensichtliche Widerspruch zu den Regelungen der städtischen Baumschutzsatzung. Die Befreiung vom Fällverbot darf nämlich erst zusammen mit der Baugenehmigung erteilt werden und es müssen Ersatzbäume gepflanzt werden. Dumm nur, dass es noch keine Baugenehmigung gibt. Nach der Satzung muss übrigens, wenn aus besonderen Gründen eine Ersatzpflanzung nicht möglich ist, pro Baum eine Zahlung von 8200 € erfolgen.

Steht schon die Baumschutzsatzung den Fällungen entgegen, so werden die Maßnahmen wegen fehlender Ausgleichsflächen absurd. Denn als die vorgeschriebene Ausgleichsfläche zur Pflanzung neuer Bäume ist ausgerechnet das Entwicklungsgebiet Rosenstein vorgesehen. Und natürlich nicht sofort, sondern irgendwann später. Dabei weiß inzwischen jeder, dass seit der Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes diese Grundstücke weiter für Bahnbetriebszwecke vorgehalten werden müssen. Sie stehen deshalb nicht für irgendwelche Ausgleichsmaßnahmen zur Verfügung. Das gilt jedoch auch für die alte Gesetzesfassung, denn einer Freistellung steht entgegen, dass der Kopfbahnhof sowie auch der jetzige Abstellbahnhof weiter benötigt werden.

Den Machern geht es also darum, ohne Notwendigkeit zur Unzeit das Gebiet von Eidechsen zu befreien und Bäume und Büsche umzusägen. Danach wird sich herausstellen, dass die Eidechsenpopulation vernichtet ist und für die Bäume kein Ersatz gepflanzt werden kann. Ein bekanntes Muster der Stadtpolitik.

Dieter Reicherter
Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21

Kommentar der SÖS-Newsletter Redaktion:
Die Umweltzerstörung in diesem scheinbar kleinen Biotop ist keine Bagatelle. Sie ist Ausdruck einer Stadtpolitik, in der der Umweltschutz fast keine Rolle mehr spielt. Das Radwegenetz kommt nicht voran, Beschlüsse zur autofreien Innenstadt werden verschoben, Flächen weiter versiegelt. Umweltbürgermeister ist Peter Pätzold (GRÜNE), der als gleichzeitiger Baubürgermeister inzwischen zum glühenden Verfechter der Frischluftversiegelung durch die Rosensteinbebauung wurde, aber von der GRÜNEN Fraktion geschont wird, und der Chefstratege im OB-Büro ist Martin Körner (SPD), der sich auf eine zahme Fraktion verlassen kann. Die Beratungsfirma Drees & Sommer beurteilte die Klimapolitik der Stadt als katastrophal, s. dazu das Interview mit Hannes Rockenbauch:
Klimakrise im Stuttgarter OB-Büro.
Wir appellieren an die anderen Fraktionen, Klimapolitik vor Parteiräson zu stellen. 

Bilder: Wikipedia Manfred Heyde, Eberhard Linkh, Roland Hägele


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