„Statt die Menschen vor Feinstaub zu schützen, einen Beitrag zum Klimaschutz und gegen das Artensterben durch die Verringerung des Autoverkehrs zu leisten, schützt die Stadt Stuttgart das Auto!“ kommentiert SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch die Freigabe des Rosensteintunnels. Das Auto ist ein Klimakiller, den Stuttgart weiter hegt und pflegt. Wie sonst kann man sich erklären, dass sich Stuttgart gegen jede Vernunft nicht nur Deutschlands teuerste Schienentunnel leistet, sondern jetzt auch noch Deutschlands teuersten Straßentunnel. Hannes rechnet in seinem Videokommentar auf Facebook mit diesem Stau-Tunnel ab.
Mit großem Tamtam – mit Verkehrsminister, Oberbürgermeister und Autokorso – wurde im März der Rosensteintunnel eröffnet. Als ob sie all die mit Superlativen gespickten Reden Lügen strafen wollten, standen die Autos schon ein paar Stunden später brav im Stau. Dabei hatte Oberbürgermeister Nopper gerade noch versprochen, mit dem teuren Tunnel würde nun alles besser. Doch Frank Nopper starrte belämmert auf stehende Autos. Nach dieser peinlichen Posse mussten eilig einige Amtsleiter antreten, um den OB zu stützen. Da hieß es dann plötzlich, das Problem sei ja nicht der fertige Rosensteintunnel, sondern der noch immer nicht fertige Leuze Tunnel. Also weiter so: für noch mehr Autos der nächste Tunnel.
Artenschutz der besonderen Art
Wohl am ehrlichsten beschreibt Tiefbauamtsleiter Jürgen Mutz das Scheitern der Stuttgarter Verkehrspolitik: „Mit dem Neubau hat man den Stau von der Pragstraße in den Tunnel verlegt, das ist richtig“ (StZ, 30.3.22). Diese Offenheit muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Während OB Nopper den Tunnel noch wegen seiner angeblichen Bedeutung für den Wirtschaftsstandort lobt wird hier klar: Für 456 Mio. Euro, das ist nur der heutige Preisstand, wurde gar nichts gewonnen, außer dass die Autos jetzt vor Regen geschützt im Stau stehen können. Ein Artenschutz der besonderen Art.
Aber was hätte man mit all diesen Millionen nicht alles finanzieren können:100 neue Stadtbahnen für die Stuttgarter Verkehrsbetriebe kaufen. Oder einfach mal 470 km Radschnellwege in unserer Stadt bauen. Oder 22 Monate kostenlosen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Stuttgart bezahlen. Über das Null-Euro-Ticket denkt jetzt sogar Verkehrsminister Winfried Hermann nach (StZ, 28.3.22). SÖS fordert dies schon seit 15 Jahren im Gemeinderat. All das würde Menschen helfen, ihr Auto mal stehen zu lassen, all das würde den Stau und seine Folgen verringern.
Vom Daimler-Porsche-SUV-Virus infiziert
Das Scheitern der Stuttgarter Verkehrspolitik hat Tradition. Noch bis heute leiden die Menschen unter den Fehlentwicklungen der autogerechten Stadt seit 1950. Es wird so weitergehen: wer Straßen sät, wird mehr Verkehr ernten. CDU, SPD und FDP, die den Tunnel beschlossen haben, sind vom Daimler-Porsche-SUV-Virus infiziert. Seine toxische Wirkung scheint das Denkvermögen auf einen Tunnelblick zu verengen.
Doch nicht nur im OB-Büro herrscht Tunnelblick: Eine Gemeinderatsmehrheit von CDU, SPD, FW, FDP und AfD hat jüngst die nächsten 600 Meter Tunnel beschlossen, Preisstand heute knapp 400 Mio. Euro. Getreu dem Motto „im Dunkeln ist gut munkeln“ freuen sich nun wieder die Tunnelbaukonzerne über Millionen-Aufträge. Sonst hat Angesichts dieser Kontinuität klimapolitischer Sünden niemand was zu lachen. Außer vielleicht OB Frank Nopper, der steht lächelnd im Stau und schwärmt davon, dass Stuttgart bis zum Jahr 2035 klimaneutral sein wird. Mit noch mehr Autos in noch mehr Tunneln. Gegen den Daimler-Porsche-SUV-Virus gibt es keinen Impfstoff. Die Stuttgarter Umweltbewegung muss konsequent diesen Virus bekämpfen. SÖS wird sie im Gemeinderat unterstützen.
Bilder: Wolfgang Rüter