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10-Punkte-Plan des Bezirksbeirats Mitte zum Bohnenviertel 

10. Februar 2025

Sämtliche Parteien befürworten eine lebenswerte Innenstadt. Das Beispiel Bohnenviertel zeigt, dass Gemeinderäte hierfür aber auch mal aktiv werden müssen. Das meint SÖS-Bezirksbeirat Ralph Schelle und schrieb uns folgenden Bericht. 

Die Stadt Stuttgart verkauft im Leonhardsviertel ein aufwendig renoviertes Haus, verbunden mit der eindeutig formulierten Auflage, es dürfe darin kein Sexgewerbe eingerichtet werden, an wen? An einen stadtbekannten Bordellbetreiber. Kurz nach Kaufvertragsunterzeichnung eröffnet er in just diesem Haus ein Bordell, welches in der Folgezeit nahezu unbehelligt ungezählte Jahre existiert. 

Die Stadt Stuttgart winkt den Verkauf eines Großgebäudes Ecke Königs/Schulstraße durch, verbunden mit dem Anliegen, es mögen dort Büro- und Einzelhandelsflächen entstehen. Käufer ist ein bereits zum Zeitpunkt des Verkaufs wegen Immobilienbetruges vorbestrafter Investor. Der wird alsbald von der schieren Menge seiner Betrügereien eingeholt, worauf jegliche Bauarbeiten für eine unbekannte Zeit ruhen.

Stadt nimmt Rechte nicht wahr – zu Lasten der Mieter

Zwei Beispiele – von vielen. Was an solcherlei Vorgängen besonders aufstößt: Die Stadt kann, wenn sie es denn möchte, ihre Geschicke weitgehend bestimmen. Dieses Recht nimmt sie jedoch nur in geringem Umfang wahr. Vielmehr verkauft die Stadt Stuttgart seit Jahrzehnten über jedes verträgliche Maß hinaus Liegenschaften an mitunter zwielichtige Bieter und gibt dabei freilich auch einen erheblichen Teil ihrer Einflussmöglichkeiten aus der Hand- In der Folge steigen die Mieten unanständig und das Stuttgarter Stadtbild wird vermehrt von gewinnoptimierten Gebäuden bestimmt. Die zunehmende Unattraktivität lässt denn auch Vor-Ort-Kauflust messbar schwinden. Eine unschöne Spirale setzt sich in Gang: Weniger Kundschaft in der Kombination mit überteuerten Mieten führen mancherorts zur Schließung alteingesessener Läden, worauf die Spirale sich munter weiterdreht: Wechselnde Billigläden oder gar Leerstand dezimiert bei Vielen die Restlust auf Stadteinkäufe.

Gehweg vor dem Bohnenviertel – eingequetschte Läden –
Kunden bleiben aus

Bohnenviertel bewahren – Ladenschließungen verhindern

Gleichwohl existieren in Stuttgart immer noch weitgehend unversehrte Areale. Das Bohnenviertel beispielsweise trumpft ganz wunderbar auf durch eine bemerkenswerte Dichte kleiner, feiner, alter, spezialisierter, vitaler und zuweilen erstaunlicher Läden. Wer hier beispielsweise ein Jugendstilgeländer schweißen, seine eigentlich unrettbare Jacke nähen, einen alten Schreibtisch restaurieren lassen oder einfach seinen Gaumen beglücken möchte, wird in diesem Quartier bestens bedient. 

Doch leider hängen über dem nordwestlichen Teil des Bohnenviertels (das ist der Bereich gegenüber Kaufhaus Breuninger) dunkle Wolken in Form einer Großbaustelle, auf der u. a. das Breuninger-Parkhaus zum Mobility-Hub (sprich: Parkhaus) umgebaut wird. Im Rahmen des etliche Jahre andauernden Um/Neubaus wurde eine Fahrspur der Hauptstätter Straße gesperrt und der Verkehr in die nur bedingt dafür geeignete Esslinger Straße vor dem Bohnenviertel eingeleitet. In der Folge sind die dortigen Läden und das Gewerbe schwerer erreichbar, fast nicht mehr sichtbar und baustellen- und lärmbedingt für schlendernde KäuferInnen kaum noch attraktiv. 

Nun stellen jene Läden/das Gewerbe, wen wundert es, erhebliche Umsatzeinbußen fest. Einzelne InhaberInnen berichten von einem Kundenrückgang in nicht mehr vertretbarem Ausmaß. In der Folge werden voraussichtlich einzelne Einrichtungen dauerhaft schließen müssen. 

Gemeinsamer 10-Punkte-Plan des Bezirksbeirats Mitte

SÖS, schon seit jeher engagierter Verfechter einer Stadt der kurzen Wege (und daraus resultierend ein Befürworter vieler kleiner vor-Ort-Läden), entwarf nun im Bezirksbeirat Mitte einen ausgeklügelten 10-Punkte-Plan zur Vermeidung eines Ladensterbens im Bohnenviertel. Hauptsächlicher Antragsinhalt: Bessere Fußwegebeziehungen, kreative Werbemaßnahmen sowie für die LadenbetreiberInnen eine Teilerstattung für nachweislich entgangenen Umsatz. In Vorbesprechungen kam der SÖS-Text im Bezirksbeirat so gut an, dass letztlich sämtliche im Bezirksbeirat Mitte vertretenen Parteien als Antragsteller genannt wurden. Das gibt es nicht alle Tage. 

Selten: Ein von allen demokratischen Parteien gestellter Antrag

Nun möge konsequenterweise dieser Antrag von der SÖS in Zusammenarbeit mit einer oder mehreren weiteren Parteien in den Gemeinderat eingebracht werden. Der Vorgang wäre überfällig. Wir brauchen im Bohnenviertel (und woanders) einen bunten Mischmasch aus Kultur, Handwerk, Gastro und Einzelhandel. Die Alternativen sind TikTok, Temu und 1-Euro-Läden. Jetzt müssen wir uns entscheiden.

Text und Abbildungen: Ralph Schelle


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