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Schöner Wohnen – aber wo? Die Wohnungsfrage in Stuttgart und auch anderswo 

10. Februar 2025

Wohnungsnot und Mietwucher- wichtige Probleme werden derzeit durch die Migrationsdebatte verdrängt. Johanna Tiarks (Die Linke), die wohnungspolitische Sprecherin unserer Fraktion Die Linke und SÖS, analysiert die Situation in Stuttgart. Ihr Fazit: Die Notlage ist veränderbar, wenn man nur will!

1992 gab es in Stuttgart noch knapp 22 000 Sozialmietwohnungen, jetzt sind es nur noch gut 14 000. Und es werden immer weniger, weil weiterhin mehr aus der Preisbindung fallen als nachgebaut werden. Das liegt daran, dass Sozialmietwohnungen spätestens nach 30 Jahren nicht mehr zu günstigen Mieten angeboten, sondern zu marktüblichen, deutlich höheren Preisen vermietet werden. Und dann kann die Immobilienwirtschaft anfangen, mit den Wohnungen nochmal richtig Geld zu verdienen.

Es gibt seit Jahren konstant 4500 Haushalte mit Wohnberechtigungsschein in der Vormerkdatei, von denen 3000 Haushalte Not- und Dringlichkeitsfälle sind. Gerade migrantische Familien warten teils Jahre darauf, überhaupt eine Wohnung zu bekommen und hausen z.B. in sogenannten Sozialhotels. Die Bedingungen gerade für Kinder sind dort in weiten Teilen unwürdig.

Bis über 50% des Haushaltseinkommens für die Miete

Von den Menschen, die immerhin eine eigene Mietwohnung haben, wenden 20 % der Stuttgarter Haushalte mehr als 40 Prozent ihres monatlich verfügbaren Einkommens für die Miete auf. 11 % sogar mehr als die Hälfte. Und damit können sie sich diese Wohnungen eigentlich gar nicht mehr leisten. Was bleibt dann noch übrig für Lebensmittel, bei der Inflation in den letzten Jahren? Und mehr als Essen geht dann auch nicht mehr. Hinzu kommt, dass die Zahl der wegen Wohnungslosigkeit unterzubringenden Menschen in Stuttgart weiter steigt und auch bundesweit gibt es immer mehr obdachlose Menschen. 

Die viel gelobte Mietpreisbremse hat bisher leider nicht viel gebremst. Nach dieser dürfen die Mieten bei Neuvermietungen nur max. 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Seit 2015 gibt es die Mietpreisbremse nun und seitdem sind die Angebotsmieten um 38% gestiegen. Ein Trauerspiel.

Trotz Wohnungsnot leistet sich Stuttgart einen Wohnungsleerstand von 11.000 Wohnungen

Nebenbei leisten wir uns in Stuttgart einen Leerstand von 11 000 Wohnungen, der sich seit 2011 nicht verändert hat. Besonders erschreckend ist dabei, dass 6100 Wohnungen seit mehr als 6 Monaten unbewohnt sind und damit unter das Zweckentfremdungsverbot fallen. Eigentlich müsste die Stadt das ahnden. Aber angebliche Renovierungen auf Renovierungen und Personalmangel bei der Stadt (nur 5 Mitarbeitende) lassen Vermieter*innen unbehelligt. Besonders pikant ist: 4000 Wohnungen stehen schon seit länger als einem Jahr leer und gehören bestimmt nicht mehr zu der sogenannten Fluktuationsreserve.

Interessant ist auch, dass 5,4 Prozent der Büroflächen in Stuttgart leer stehen. Das sind 432 000 Quadratmeter, die eigentlich zur Verfügung stehen, um in Wohnraum umgewandelt werden zu können.  Trotz dieser leerstehenden Flächen, wird zeitgleich in Stuttgart seit 2018 eine Fläche so groß wie der Cityring – 1 Quadratkilometer – versiegelt. Meist mit der Begründung, dass dringend Wohnraum gebraucht wird. Das stimmt, wir brauchen Wohnraum. 

Muss die Schaffung von Wohnraum auf Kosten des Klimaschutzes gehen?

Die Frage ist nur, auf welchem Weg? Wie vereinen wir Wohnungsbau und Klimaschutz? Und da unterscheiden sich die Meinungen. Da betreibt zum Beispiel die SPD zusammen mit den konservativen Parteien munter Klimazerstörung für ein neues Wohnquartier an der Böckinger Straße in Stuttgart-Rot. Und auch Flächen wie die Schwellenäcker in Stuttgart Heumaden sind da wieder im Gespräch.

Hinzu kommt, dass es in Stuttgart immer noch zur gängigen Praxis gehört, bezahlbaren Wohnraum abzureißen, um dann einen Neubau hinzustellen. Das verbraucht immens viel CO2, bezahlbarer Wohnraum wird zerstört mit dem Ergebnis, dass die Mieten sich verdoppeln. Mieter*innen werden finanziell enteignet und Immobilienspekulanten können höhere Gewinne einstreichen. Leider passiert das auch immer wieder mit den Stimmen der Grünen, die sich nicht von ihrer sozialen Seite zeigen und zustimmen, wenn beim Neubau wenigstens das Energiekonzept stimmt. Aber das reicht leider nicht aus.

Bezahlbarer Wohnraum ist ein Grundrecht

Es muss sich dringend etwas ändern. Bezahlbarer Wohnraum ist ein Grundrecht für alle und dem werden wir weder in Stuttgart noch bundesweit gerecht. Dafür müssen die Mietsteigerungen mindestens gestoppt, besser die Mieten gesenkt werden. Wir brauchen mehr Sozialmietwohnungen. Wir müssen den Leerstand wirksam bekämpfen und den Büroleerstand durch Umwandlung in Wohnraum beenden. Wir müssen konsequent dafür einstehen, obdachlosen Menschen eine Wohnung bereitzustellen.

Mietwucher konsequent verfolgen und ahnden

Wenn wir die Mieten senken wollen, brauchen wir bundesweit einen Mietendeckel. Damit haben wir die Möglichkeit, die Explosion der Mieten nicht nur zu bremsen, sondern zu beenden und rückgängig zu machen. Gerade in angespannten Wohnungsmärkten wie in Stuttgart, ist das besonders wichtig. Wir haben dazu auf städtischer Ebene die Möglichkeit, Mietwucher zu bekämpfen. Wird die ortsübliche Vergleichsmiete laut Mietspiegel um mindestens 20% überschritten, kann es sich um eine Ordnungswidrigkeit handeln. Dem Vermieter droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 €. Wird die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50% überschritten, kann sogar eine Straftat vorliegen, mit härteren Strafen, theoretisch bis zu einer Gefängnisstrafe. In beiden Fällen kann die Miete abgesenkt und zu viel gezahlte Miete zurückgefordert werden.

Antrag der Fraktion Linke und SÖS: Dem Frankfurter Beispiel folgen

Frankfurt am Main verfolgt beides inzwischen mit großem Erfolg. Wir haben die Umsetzung auch für Stuttgart in einem Antrag gefordert und hoffen auf die Vernunft der anderen Fraktionen im Gemeinderat.

Städtischen Wohnungsfond schaffen

Um bezahlbaren Wohnraum dauerhaft für Stuttgarter*innen zur Verfügung zu stellen, fordern wir schon seit Jahren einen städtischen Wohnungsfond. Mit dem Boden-und Wohnbaufonds könnte die Stadt Stuttgart mit dem (Wieder-) Aufbau einer kommunalen Wohnraumversorgung nach dem Vorbild der Stadt Wien beginnen. Die Stadt kauft Wohnraum an und vermietet ihn zu günstigen Konditionen. Aus erworbenen Flächen und Immobilien werden weitere städtische Bauprojekte für die Ausweitung des städtischen Gemeindewohnbaus entwickelt und ausgewiesen. Leerstehende Büroflächen werden in Wohnraum umgewandelt.

Die Mieterträge aus den geschaffenen Wohnungen fließen zurück in den Wohnbau-und Boden-Fonds, um weitere, dauerhaft leistbare Wohnungen zu schaffen. Dieser bleibt ohne Zeitbegrenzung erhalten und hilft auch zukünftigen Generationen, ein bezahlbares Zuhause zu finden. Potential gibt es dafür in Stuttgart gleich an mehreren Stellen. Das leerstehende Eiermann-Areal in Vaihingen mit 1400 Wohnungen oder das ungenutzte EnBW-Gelände am Stöckach mit 800 Wohnungen.

Ohne Handeln wird sich die Lage noch verschärfen

Wir müssen gemeinsam die Immobilienspekulanten zurückdrängen. Vonovia hat rund 1000 Sozialmietwohnungen in ihrem Besitz. Diese fallen demnächst aus ihrer Preisbindung und dann werden die Mieten steigen und steigen. 70 Wohnungen sind im Bohnenviertel bereits letztes Jahr aus der Mietpreisbindung gefallen. Diese werden nun an das ortsübliche Niveau angepasst und die Mieten steigen alle 3 Jahre um 15%. Für viele Menschen sind sie dann nicht mehr bezahlbar. 

Leider hat es die Ampel-Regierung in drei Jahren nicht geschafft, die Mietpreisbremse zu verbessern bzw. wenigstens zu verlängern. Obwohl sie das großspurig in dem Koalitionsvertrag angekündigt hatte. Da waren der Ampel offensichtlich andere Themen wichtiger als die Mieter*innen. 

Und auch in Stuttgart sehen wir die Ergebnisse dieser Politik. Viele Menschen landen nach Zwangsräumungen in der Obdachlosigkeit (300 000 Zwangsräumungen bundesweit). Deswegen haben wir uns hier in Stuttgart als Fraktion erfolgreich für den Ansatz Housing First eingesetzt. Wohnungslosen wird zuerst eine Wohnung vermittelt, darauf folgen andere Angebote. Seit Einführung von „Housing First“ im Jahre 2008 konnte Finnland die Obdachlosigkeit mehr als halbieren. Nicht nur in Stuttgart brauchen wir diesen erfolgreichen Ansatz, sondern bundesweit. 

Jeder Mensch hat das Recht auf eine Wohnung! 

Autorin: Johanna Tiarks (Die Linke), wohnungspolitische Sprecherin der Gemeinderatsfraktion Die Linke und SÖS
Bilder: Die FrAktion / Roland Hägele


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