
Der Protest gegen Stuttgart 21 ist und war auch ein kultureller Aufbruch, der bis heute ausstrahlt. Woche für Woche versammeln sich die Gegner hauptsächlich auf dem Schlossplatz, wo neben Informationen und Kritik zum Projekt auch Künstler auftreten. Auf der Montagsdemo wurde „The Räzelonkel“ für das 5000. Räzel geehrt. Im Internetforum „parkschuetzer.de“ geht der Protest weiter. „The Räzelonkel“ ist dort ein fester Bestandteil. Was hat es damit auf sich? Wir sprachen mit dem Onkel himself.
SÖS: Hallo „Räzelonkel“ – was müssen wir uns darunter vorstellen?
The Räzelonkel: Nun, hinter diesem Pseudonym verbirgt sich ein Gegner von Stuttgart 21 seit vielen vielen Jahren, der sich vor 13 Jahren entschlossen hat, seinen Protest nicht auf die übliche Weise auszuüben, also durch Plakate, Aufrufe, Reden oder Demonstrationen, sondern eine eigene Form zu kreieren, die dem Protest eine spielerische Note hinzufügt. Meine fast täglichen Beiträge findet man unter www.parkschuetzer.de mit dem Hashtag #Räzel.
SÖS: Am 26. Mai 2025 hast Du nun unter dem Beifall der Parkschützer dein 5000. „Räzel“ ins Netz gestellt, eine imponierende Zahl. Wie schafft man das?
The Räzelonkel: Zum einen muss man mal anfangen. Das erste „Räzel“ entstand vor ca. dreizehn Jahren als Reaktion auf die strengen, wütenden Beiträge im Forum den Tag über – damals waren noch sehr viele GegnerInnen aktiv im Netz. Ich fand, man sollte zum Tagesausklang entspannen und machte in erster Linie mir selbst zur Abreaktion ein Rätsel in Form der Glücksradtafel, wo man Buchstaben ergänzen musste. Die Lösung: Der Widerstand ist unumkehrbar. Die Reaktion war gleich sehr positiv – endlich was zum Lachen, aber dennoch hart am Thema. Und so ging es dann weiter: aus einem wurden zehn, jetzt „Räzel“ genannt, dann hundert. Es entwickelte sich eine Eigendynamik, mein Ehrgeiz wurde beflügelt und die Themen rund um Stuttgart 21 nahmen nicht ab. Ich setzte mir immer neue Ziele, und so gesehen, kam ich im Laufe der Jahre bei fast täglicher „Räzel“-Produktion zwangsläufig in Gefilde, die nach Jubiläum schrieen: 1000 – 3000 – 4444 und jetzt eben 5000. Das nächste Ziel 5555!

SÖS: Wird das mit der Zeit nicht langweilig?
The Räzelonkel: Keineswegs. Es fordert die Phantasie, die Informationslust und den Spieltrieb enorm heraus. Fast täglich erscheint irgendwo im Netz oder in der Presse etwas über das Projekt, das Stoff für „Räzel“ in irgendeiner Form liefert. Es müssen auf vielerlei Wegen etwa Begriffe wie SCHIENENVERLAUF oder auch doppeldeutige Sätze wie DAS PROJEKT IST UNTERIRDISCH erraten werden. Das kann als Rebus, als kleines Kreuzworträtsel, als Rätselschlange oder als Scrabble sein, immer auch, und das ist vielleicht das eigentlich Kreative, grafisch schön und unterschiedlich gestaltet. Die Herstellung solcher „Räzel“ ist also eine sehr erfüllende, auch herausfordernde Tätigkeit, die inzwischen einen festen Bestandteil meiner täglichen Beschäftigung darstellt, wie für andere etwa die tägliche Karikatur.
SÖS: Zum Schluss löst Du vielleicht noch die Schreibweise „Räzel“ auf und Deine eigene Bezeichnung als „The Räzelonkel“.
The Räzelonkel: Die andere Schreibweise von Rätsel, versehen mit einem #, soll so eine Art Marke, ‚brand‘ sein, unverwechselbar und auf die Parkschützer gemünzt. „Räzelonkel“ fand ich so schön gemütlich, weg vom Wutbürger, eine Erinnerung an die Radiosendungen meiner Jugend. Und der „The“ verweist auf die BW-Kampagne „The Länd“ – da hab ich mich einfach mal drangehängt.
SÖS: Und zum allerletzten Schluss: Wann ist Deine Mission beendet?
The Räzelonkel: Die Bahn und ich tragen einen internen Wettbewerb aus: Wer gibt zuerst auf? Meine Chancen stehen nicht schlecht…
SÖS: Wir danken für dieses Gespräch und drücken die Daumen – wem, verraten wir hier nicht ☺
Bilder: SÖS, privat
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