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Ingo Speidel

Ingo Speidel

Keine Käfighaltung von Kindern!

9 Jahre war ich alt, als wir 1950 nach Stuttgart – Gaisburg zogen: eine 6-köpfige Familie in eine 60 m²-Wohnung. Zu eng? Keineswegs: Denn wir Kinder waren eigentlich immer draußen. Damals gab es noch keine Kinderspielplätze. Aber es gab Seifenkistenrennen auf den Straßen. Wir trafen uns mit den Nachbarskindern, spielten Verstecken hinter den Häusern und Fangen-bis-auf-Alle, auf der Straße Fußball, Völkerball, Federball… Selten ein Auto: selbst auf der Talstraße konnten wir Schlitten fahren!. Wir erforschten die Gegend: eine Kriegsruine, die Gärten hinter den Häusern, die Werkstätten der Handwerker – eine Schlosserei, eine Schreinerei. Und wir durchstreiften die Schrebergärten am Hang zu den Waldheimen und lernten, über die Zäune und auf die Obstbäume zu klettern.

Auch der Schulweg (zum Zeppelin-Gymnasium) war aufregend: Morgens immer zu spät dran, passten wir die Strampe ab für eine Haltestelle Schwarzfahrt, dann eine Haltestelle Rennen, dann wieder Schwarzfahrt… Den Rückweg nutzten wir zu einem Höfleswetz oder oder einer Obstprobe in einem Hinterhof.

Nachmittags war immer schulfrei. Also Gelegenheit, die Welt zu entdecken. Und zwar per Fahrrad. Da war ich frei und unabhängig. Damals, in den 50er Jahren, fuhren nur wenige Autos; Schnellstraßen gab es gar keine. Zunächst radelte ich mit Klassenkameraden nach Paris, dann zur Weltausstellung nach Brüssel. Aber die Welt ist größer. Also radelte ich in den letzten Schulferien durch Marokko. Und nach dem Abitur gings nach Algerien, wo der antikoloniale Befreiungskrieg tobte.

In den Kriegswirren verlor ich mein Fahrrad. Sowieso war mein Aufenthalt dort nicht ganz legal, und die Franzosen schoben mich nach 6 Monaten wieder ab. Ich bin nicht zur Guerrilla gegangen. Aber ich habe viel gelernt, was mir später nützlich war bei meiner Arbeit mit papierlosen Menschen.

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Heute dagegen werden die Kinder in Käfigen gehalten. Wie die Hühner. Sie verkümmern. „Draußen“ spielen gibt es nicht. Viel zu gefährlich wg. der Autos. Höfleswetz? Die Hinterhöfe sind von Autos belegt. Und zum Fußballtraining wird der Sohn im Auto gefahren. Überhaupt ist der Tag von Kindern und Jugendlichen getaktet wie im Gefängnis. Für eigene Entscheidungen, Initiativen und Ausreißer ist kein Platz.

Deshalb meine wichtigste Zielvorstellung: Keine Käfighaltung von Kindern!

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