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Bezirksbeiräte – Lästige Bürgernähe?

21. November 2022

„Bezirksbeirat? Was ist das?“ Das hören unsere SÖS-Bezirksbeiräte immer wieder. Dabei haben alle 23 Stuttgarter Stadtbezirke einen Bezirksbeirat (BBR). Laut Gemeindeordnung BaWü soll der BBR in Großstädten den Gemeinderat und die Verwaltung beraten. Er ist berechtigt, Anfragen und Anträge an die Verwaltung zu richten.

Warum gibt es Bezirksbeiräte?

In einer Großstadt wie Stuttgart können die 60 Stadträte unmöglich die Verhältnisse in allen 23 Stadtbezirken kennen. Bei fast 600.000 Einwohner*innen sind die Direktkontakte begrenzt. Bürgernahe Bezirksbeiräte sind von der Idee her eine demokratisch sinnvolle Einrichtung.

In Stuttgart wird bei der Kommunalwahl der politisch entscheidende Gemeinderat von den Bürger*innen gewählt. Die Mitglieder der beratenden Bezirksbeiräte aber werden auf Vorschlag der Gemeinderatsfraktionen vom Oberbürgermeister ernannt.

Die Gemeinderatsmehrheit blockiert seit Jahren die Forderung von SÖS nach einer Direktwahl der Bezirksbeiräte und Entscheidungsrechten für das Gremium. Und das obwohl die Gemeindeordnung diese Möglichkeit ausdrücklich vorsieht.

Grüne blockieren Direktwahl – Nopper schweigt

Hauptblockierende einer Direktwahl sind heute die Grünen: Diese werfen den BBR „Kirchturmpolitik“ (Sylvia Fischer) vor. Nur der Gemeinderat habe das Allgemeinwohl der Stadt im Auge. Auch von OB Noppers Wahlkampfversprechen einer Direktwahl und mehr Rechten für die BBR hört Mensch nichts mehr.

Doch selbst mit den aktuellen Beschränkungen könnten Bezirksbeiräte eine nützliche, bürgernahe Funktion haben. Wenn sie denn angemessen beachtet und Wert geschätzt würden. Für viele Stadträt*innen und für die Verwaltung sind BBR-Anträge aber eher lästig und machen unnötige Arbeit. Die Folge: wachsender Unmut bis Resignation der ehrenamtlich zeitaufwändig engagierten Bezirksbeirät*innen.

Gerard Wick

Arroganz unerträglich

„Die Fälle, in denen die Stadträt*innen von einmal auf den Weg gebrachten Vorhaben auf Empfehlung des BBR abgewichen sind, kann ich an einer Hand abzählen“, sagt SÖS-BBR Gerhard Wick mit Blick auf seine 44-jährige Amtszeit im BBR Vaihingen.

Nach 40 Jahren vergeblichen Bemühens um die Einhaltung wenigstens der Minimalrechte des BBR warf in Bad Cannstatt Peter Mielert (Grüne) das Handtuch. Die Arroganz des Gemeinderats und der Stadtverwaltung gegenüber den Bezirksbeiräten sei unerträglich geworden, sagt er.

In Vaihingen richteten 14 Bezirksbeirät*innen eine Beschwerde über die Verletzung ihrer spärlichen Rechte durch die Verwaltung an Oberbürgermeister und 1. Bürgermeister. Nicht zum ersten Mal waren sie von im Gemeinderat beratenen, ihren Stadtbezirk zentral betreffenden Vorlagen, weder unterrichtet noch dazu gehört worden. Kurz darauf schloss sich der gesamte BBR Obertürkheim per einstimmigem Beschluss der Vaihinger Beschwerde an.

Drei Monate vergingen, bevor der 1. Bürgermeister auf Nachfrage antwortete, an einer Antwort werde gearbeitet.

Gefrustet über das fortgesetzte Nichtbehandeln von Anfragen und Anträgen forderte SÖS BBR Ralph Schelle den BBR im Bezirk Mitte doch lieber gleich aufzulösen.

SÖS besteht auf Einhaltung und Ausweitung der Rechte.

Rechtlich gesehen sind die spärlichen Beteiligungs- und Anhörungsrechte der BBR unverbindlich.
Laut Stuttgarter Bezirksverfassung muss der BBR vor der Behandlung einer Vorlage im Gemeinderat angehört und gleichzeitig mit den Stadträten davon unterrichtet werden.

Wenn’s nicht gemacht wird, macht nichts. So jedenfalls lautete die Antwort der Kommalaufsicht des Regierungspräsidiums an die Vaihinger BBR, als diese in einem krassen Fall übergangen wurden.  Auch grobe Verstöße gegen die GOB machten einen Gemeinderatsbeschluss nicht ungültig. Wenn die Verwaltung auf Anträge und Anfragen der BBR nicht reagiert, ist das wohl auch in Ordnung. Sie soll nämlich nur binnen zwei Monaten antworten. SÖS bleibt deshalb bei seinen Forderungen:  1. Zeitnahe Behandlung der BBR Anträge durch Gemeinderat und Verwaltung. 2. Über Angelegenheiten, die nur den Stadtbezirk betreffen, entscheidet der BBR.
„Bis dahin“, so Gerhard Wick, „braucht man einen langen Atem, um sich in diesem Ehrenamt weiter zu engagieren. Vor allem aber eine engagierte Bevölkerung im Rücken.“


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