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Interview, Teil 2: Der EnBW den Stecker ziehen

16. Mai 2023

In der letzten Woche erfuhren wir im 1. Teil des Interviews mit SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch, warum die EnBW keine 800 Wohnungen mehr am Stöckach baut und der Gemeinderat der EnBW das Gelände abkaufen soll.

SÖS: Die EnBW möchte bis jetzt aber noch gar nicht verkaufen und will stattdessen die Planungen weitervoran treiben. Wie reimt sich das zusammen? 

Hannes Rockenbauch: Das ist ein durchschaubares Manöver. Darauf darf sich der Gemeinderat nicht einlassen. Klar, die EnBW will möglichst schnell einen Bebauungsplanbeschluss. Denn beschließt der Gemeinderat erstmal das Baurecht, dann würde das den Bodenpreis auf einen Schlag um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag erhöhen. Mit diesem Spekulationsgewinn in der Tasche ließe sich das ehemalige Betriebsgelände wunderbar verkaufen. Selbst wenn die Stadt dann von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen würde, müsste sie ein Vielfaches von dem zahlen, was die Fläche heute wert ist. Das muss verhindert werden.  

Bebauungsplan stoppen!

SÖS: Was sollte der Gemeinderat Deiner Meinung nach jetzt tun?

Hannes Rockenbauch: Die ökosoziale Mehrheit muss jetzt umgehend den Bebauungsplan stoppen und der EnBW klarmachen, dass die einzige Option für sie die ist, die Fläche zum heutigen Wert an die Stadt zu verkaufen. Auf die Initiative unserer FrAktion haben wir dazu jetzt einen gemeinsamen Antrag mit Puls und SPD gemacht. Leider fehlen mal wieder die Grünen. Ich finde das eine Katastrophe, denn gerade die Grünen müssten unser Interesse teilen, dass wir alle Innenentwicklungspotentiale schnell und 100% gemeinnützig nutzen, denn nur so können wir die von CDU und SPD immer offener geforderte klimaschädliche Außenentwicklung, Wohnungsbau auf Grünflächen, verhindern.

800 bezahlbare Wohnungen am Stöckach

SÖS: Was erhoffst Du Dir?

Hannes Rockenbauch: Ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat aus diesem Fall und der Vergangenheit lernen. Sie sollten sich erinnern: Der Sündenfall war die Verramschung von 20 000 Wohnungen im Nordbahnhofviertel vor 10 Jahren an die Patricia, mit Zustimmung der Grün-Roten Landesregierung. Und unter OB Kuhn wurde weiter städtisches Bauland z.B. am Vogelsang an private Investoren verkauft, die kein Interesse an bezahlbaren Wohnungen haben. Unsere Gemeinderatsfraktion ist dagegen immer aufgetreten. Denn Private entwickeln immer nur unter Zwang und zu einem Bruchteil geförderte Wohnungen. Das ist irre. Teure Wohnungen gibt es genug. Bei knappen Flächen müssen alle Flächen mit 100% bezahlbaren Wohnungen bebaut werden. Für den neuen Stöckach heißt das konkret, statt nur 320 bezahlbare Wohnungen, wie die EnBW plante, könnte die Stadt ganze 800 dauerhaft als bezahlbar gesicherte Wohnungen verwirklichen. 

Andere Städte machen es vor

SÖS: Es wird argumentiert, die Stadt hätte weder das Planungs-Knowhow noch das Personal, um umfangreiche Wohnbauprojekte zu realisieren!

Hannes Rockenbauch: Das kann ich nicht mehr hören. In den letzten 20 Jahren, als es noch genügend Personal gab, brüsteten sich Schuster, Föll und Kuhn mit ihrer Personal-Sparpolitik, gegen den Widerstand des Personalrats, und nun vergießen alle Krokodilstränen über die Ergebnisse ihres Handelns. Und zum zweiten zeigen Städte in Deutschland und Europa, dass nur eine Stadt eine soziale Wohnungsbaupolitik machen kann. Ulm und Wien machen das beispielhaft vor. In Wirklichkeit ist es doch so, dass gerade in der jetzigen Situation die Privaten wie die EnBW plötzlich die Lust am Bauen verlieren. Wenn die Privaten nicht wollen, dann sollen sie es lassen und wir als Stadt übernehmen das. Das nötige Geld dazu ist in Stuttgart vorhanden. Das gilt am Stöckach, aber z.B. auch für das Eiermann-Areal in Stuttgart Vaihingen. Wir müssen begreifen, das Ganze ist eine Chance für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung in städtischer Hand. 

Politik nach Ulmer Modell

SÖS: Besitzt die Stadt die Instrumente, um das durchzusetzen?

Hannes Rockenbauch: Ja klar. Jahrelang hat sich die Mehrheit des Gemeinderats von den bunten Exposés und Sprechblasen der Investoren blenden lassen. Ich hoffe, hier setzt endlich ein Umdenken ein. Wir brauchen endlich eine Politik nach dem Ulmer Modell. Für alle privaten Investoren muss klar sein: es gibt für sie kein höherwertiges Baurecht mehr: Auf Planungsgewinne durch neue Bebauungspläne brauchen sie gar nicht mehr spekulieren. Wollen sie ihre Flächen verwerten, bleibt ihnen nur der Verkauf an die Stadt. Erst wenn die zu entwickelnde Fläche in städtischer Hand ist, gibt es neues Planrecht. Nur so bleibt der Planungsgewinn bei der Stadt und Spekulation wird verhindert. Sollten Eigentümerinnen wie die EnBW dann zum trotz Flächen brach liegenlassen, können wir sie mit städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen nach dem Baugesetzbuch zur Entwicklung oder Enteignung zwingen. 

SÖS: Meinst Du, das kann gelingen?

Hannes Rockenbauch: Wenn der politische Wille da ist, sind wir handlungsfähig. Der einzige Weg für bezahlbare Wohnungen ist es, der Investorenhörigkeit und der Spekulation mit Grund und Boden in unserer Stadt ein Ende zu setzen. Wir von SÖS fordern die anderen Fraktionen auf, mit uns diesen Weg zu gehen. Gelingt uns dieses Umdenken, dann ist das eine historische Chance für Stuttgart. 

SÖS: Hannes, wir danken Dir für das Interview.

Das Interview führte Peter Hensinger (SÖS Newsletter Redaktion)

Bilder: Roland Hägele; Hannes Rockenbauch


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