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„Ich erwarte Friedensinitiativen von meinem Land“

19. September 2023

SÖS-Aktive demonstrieren gegen Ukraine-Krieg

Vor knapp 1.000 Menschen sprach die Theologin Margot Käßmann bei der Kundgebung „Stoppt das Töten in der Ukraine“ auf dem Stuttgarter Schlossplatz, zu der unter anderem auch unsere SÖS-Stadträt*innen und SÖS-Aktive aufgerufen hatten. Käßmann befürchtet, der Ukraine-Krieg werde zu einem Stellungskrieg wie im Ersten Weltkrieg. 

„Im vergangenen Jahr hat die russische Armee die Ukraine brutal überfallen. Niemand in der Friedensbewegung leugnet, dass Putin Täter und die Ukraine Opfer ist, wie jetzt immer wieder mit dem Vorwurf der Täter-Opfer-Umkehr unterstellt wird“, stellte Margot Käßmann klar. Doch sieht sie  „mit Sorge eine beispiellose Militarisierung in Denken, Politik und Sprache. ‚Tapferkeit‘, `Heldenmut`, `Erhöhen von Blutzoll`, `totaler Sieg´. Hinter diesen Begriffen aber verbergen sich Menschen und unermessliches Leid!“

Margot Käßmann beklagte in ihrer Rede die bereits jetzt hunderttausenden Getöteten des Ukraine-Krieges. „Wann ist Schluss mit diesem Wahnsinn?“, fragte sie die zahlreichen Teilnehmenden, die sich trotz der heißen Spätsommersonne eingefunden hatten. Bei einer Million Toter? „Wann ist eine angemessene Verhandlungsposition erreicht? Ich denke: Jetzt! Sofort“.

Margot Käßmann bei ihrer Rede

Aufbau von Feindbildern

„Wir dürfen uns nicht von Feindbildern verführen lassen: Hier die Guten, da die Bösen. Wladimir Putin ist glasklar schuldig, er hat diesen sinnlosen, desaströsen, völkerrechtswidrigen Krieg begonnen, er könnte ihn sofort beenden. Ich wünsche mir, dass er für sein Handeln zur Rechenschaft gezogen wird. Aber ich mache nicht jeden jungen russischen Soldaten dafür verantwortlich“, so Käßmann.

Doch genau der Aufbau von Feindbildern werde zurzeit massiv betrieben. Da die bösen, ja barbarischen Russen. Hier die guten und tapferen Ukrainer. Nein, es geht hier wie dort um Menschen, die getötet werden! Sollen wir uns mitfreuen, fragt die Theologin, wenn in sozialen Netzwerken gefeiert wird, dass mehr als 400 junge russische Soldaten ums Leben kamen, weil sie aus Heimweh am 1. Januar Nachrichten vom Handy zu ihren Familien geschickt haben und dadurch geortet werden konnten?

Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht

300.000 junge Männer haben Russland verlassen, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen. Sie verweigern auf ihre Weise. Und sie sollten als politisch Verfolgte bei uns Asyl erhalten, fordert die Christin Käßmann. Männer in der Ukraine zwischen 18 und 60 Jahren dürfen das Land nicht verlassen. Stimmt das mit europäischen Werten überein, fragt sie. Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht.

Und sie verweist auf Bertha von Suttner, Friedensnobelpreisträgerin 1905 die vor mehr als hundert Jahren die ganze Absurdität des Krieges beschrieben hat. Wer kämpft eigentlich für was? Und welches entsetzliche Sterben von Soldaten wird dann einfach mit „Er ist gefallen“ umschrieben? Gefallen? Nein: Getötet! Ermordet! Elendiglich verreckt, Soldaten doch ebenso wie Zivilisten.

„Wir befinden uns in einer Spirale der Eskalation, die auch durch Waffenlieferungen aus dem Westen an die Ukraine angeheizt wird. Die USA liefern inzwischen sogar Streumunition an die Ukraine“, so Käßmann weiter. Bomben, die noch Jahrzehnte nach Kriegsende töten – vor allem Kinder. „Erwachsene sollten wissen: Irgendjemand muss die Eskalationsspirale unterbrechen!“

„Ich erwarte Friedensinitiativen von meinem Land“

100 Milliarden Euro für Rüstung – zusätzlich zum Bundeswehretat – seien doch keine Investition in die Zukunft der Kinder von heute. „Ihre Zukunft wird lebenswert durch Milliarden Euro, die in Bildung und Entwicklung investiert werden“, betonte die mehrfache Großmutter. „Es ist ein enormer Kraftakt, der Frieden möglich machen kann. Und um das klarzustellen: Als Deutsche formuliere ich keine Forderungen an die Ukraine. Aber ich erwarte Friedensinitiativen von meinem Land!“, so Käßmann.

Auch Martin Gross (Landesleiter ver.di) und der Arzt Gerhard Trabert plädierten in ihren Redebeiträgen für eine Verhandlungslösung im Ukraine-Krieg. „Es ist an der Zeit, unsere Vorschläge, wie Waffenstillstand und Friedensverhandlungen erreicht werden können, endlich ernst zu nehmen“, betonte etwa Gross. SÖS-Bezirksbeirat Paul Russmann, einer der Mitinitiatoren der Friedenskundgebung, zeigte sich zufrieden mit dem Verlauf der Veranstaltung: „Hier haben wir global gedacht und lokal gehandelt.“

https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/demonstrationen-fuer-und-gegen-die-unterstuetzung-der-ukraine-100.html

https://www.ohne-ruestung-leben.de/nachrichten/article/stoppt-das-toeten-in-der-ukraine-kundgebung-und-diskussionsforen-in-stuttgart-586.html

Fotos: Simon Bödecker / Ohne Rüstung Leben


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