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Friedensnobelpreis für Überlebende der Atombombenabwürfe

21. Oktober 2024

SÖS-Regionalrat Paul Russmann: „Von Stuttgart aus befehligt die US-Kommandozentrale EUCOM alle US-Atomwaffen in Europa. In einem atomaren Konflikt wird das EUCOM in Stuttgart-Vaihingen eines der ersten Angriffsziele sein.“ Die diesjährige Verleihung des Friedensnobelpreises an die japanische Organisation der Überlebenden ist eine Mahnung und hat eine besondere Bedeutung für Stuttgart. Warum, das beschreibt Paul Russmann. 

Der diesjährige Friedensnobelpreis wird an die japanische Organisation Nihon Hidankyō verliehen. Nihon Hidankyō wurde von Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gegründet und setzt sich für weltweite nukleare Abrüstung ein. Zwei relativ kleine Atombomben reichten aus, um im August 1945 in Hiroshima und Nagasaki mehr als 210.000 Menschen zu töten. Bis heute verursacht die nukleare Strahlung Geburtsschäden und Krebserkrankungen.

Zeitzeugen erzeugen weltweiten Widerstand

In seiner Begründung würdigt das Nobelkomitee das unermüdliche Engagement der Mitglieder von Nihon Hidankyō und aller aktiven Hibakusha (japanisch für die Atomwaffen-Überlebenden) als Teil der weltweiten Bewegung gegen Atomwaffen: „Das Zeugnis der Hibakusha … ist in diesem größeren Zusammenhang einzigartig.“ 

„Diese Zeitzeugen haben dazu beigetragen, einen breiten Widerstand gegen Atomwaffen in der ganzen Welt zu erzeugen und zu festigen, indem sie … Aufklärungskampagnen auf Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen ins Leben riefen und eindringliche Warnungen vor der Verbreitung und dem Einsatz von Atomwaffen aussprachen.“

Zerstörtes Hiroshima, aufgenommen vom Bomberpiloten Paul W. Tibbets

Helfen, das Undenkbare zu denken

„Die Hibakusha helfen uns, das Unbeschreibliche zu beschreiben, das Undenkbare zu denken und den unbegreiflichen Schmerz und das Leid … irgendwie zu begreifen.“ Damit hätten sie, so das Nobelkomitee weiter, wesentlich dazu beigetragen, dass es seit beinahe 80 Jahren ein „Tabu“ gibt: Atomwaffen wurden nach Nagasaki nicht mehr in Kriegen eingesetzt. Es sei jedoch alarmierend, dass dieses Tabu nun unter Druck gerate.  

Die Anerkennung für Nihon Hidankyō ist somit auch ein Ruf nach mehr Unterstützung für den UN-Atomwaffenverbotsvertrag, der die humanitären Folgen von Atomwaffen in den Mittelpunkt stellt und ihr vollständiges Verbot erreichen will. Im Jahr 2017 wurde bereits die „Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen“ (ICAN) mit dem Friedensnobelpreis geehrt, weil sie maßgeblich zum Gelingen des Vertrages beigetragen hatte. 

Mittlerweile haben 94 Staaten den Vertrag unterzeichnet – die NATO-Staaten und alle Atomwaffenstaaten lehnen ihn jedoch aus sicherheits- und geopolitischen Gründen ab. Da ist es wichtig, dass die letzten Zeugen des Grauens von Hiroshima und Nagasaki nun die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit bekommen. Das Nobelkomitee betont: „In diesem Moment der Menschheitsgeschichte sollten wir uns daran erinnern, was Atomwaffen sind: die zerstörerischsten Waffen, die die Welt je gesehen hat.

Atomkrieg bedroht uns Alle

Selbst ein regional begrenzter nuklearer Krieg hätte gravierende weltweite Folgen: Wissenschaftliche Studien gehen von Klimaveränderungen und Lebensmittelknappheit aus, die bis zu zwei Milliarden Menschenleben bedrohen. Menschen machen Fehler. Technische Systeme können versagen. Im Falle von Atomwaffen sind die Folgen eines Fehlers, Unfalls oder Anschlages unabsehbar. Im schlimmsten Fall kommt es zu nuklearen Vergeltungsschlägen, die große Teile des Planeten unbewohnbar machen.

Deutschland besitzt keine Atomwaffen. Aber 15 bis 20 US-amerikanische Atombomben sind in Büchel in Rheinland-Pfalz stationiert. Die Bundeswehr trainiert im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ den Einsatz dieser Waffen – just in diesen Tagen wieder mit dem NATO-Manöver „Steadfast Noon“. SÖS-Regionalrat Paul Russmann: „Von Stuttgart aus befehligt die US-Kommandozentrale EUCOM alle US-Atomwaffen in Europa. In einem atomaren Konflikt wird das EUCOM in Stuttgart-Vaihingen eines der ersten Angriffsziele sein.“

Paul Russmann demonstriert gegen das Eucom,
zusammen mit Margot Käsmann

Atomwaffen abrüsten – EUCOM schließen

Die gute Nachricht: Schon 1970 haben sich die Atommächte im Atomwaffensperrvertrag verpflichtet, ihre Arsenale abzurüsten. 1996 hat der Internationale Gerichtshof den Einsatz von Atomwaffen für generell völkerrechtswidrig erklärt. Seit dem 22. Januar 2021 ist der UN-Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft. Alle Argumente, Abkommen und die große Mehrheit aller Staaten sprechen für nukleare Abrüstung. 

Seit 2005 gehört Stuttgart zum weltweiten Netzwerk Mayors for Peace – ein internationales Bündnis von weltweit fast 10.000 Städten, die sich für atomare Abrüstung einsetzen. SÖS sieht darin eine „Selbstverpflichtung“ für Oberbürgermeister Klaus Nopper, sich auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene für eine Ächtung aller Atomwaffen und die Schließung des EUCOM in Vaihingen einzusetzen.

Paul Russmann, Jahrgang 1955. Bankkaufmann und Diplomtheologe. Referent für Friedensarbeit i. R. der ökumenischen Aktion Ohne Rüstung Leben e. V., Sprecher der “Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel” 2011 bis 2017. Langjähriges Vorstandsmitglied des Dachverbands der Kritischen Aktionär*innen. Mitinitiator des Stuttgarter Fachkreises für Konfliktbewältigung und Mediation (FAKTUM). SÖS-Regionalrat und langjähriges Mitglied im Bezirksbeirat Stuttgart-West.

Bilder: Nobel-Komitee, Wikipedia, Ohne Rüstung leben


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