Die Stuttgarter Opernsanierung ist neben S 21 ein zweites Beispiel für Größenwahn. Kosten weit über 1,5 Milliarden Euro werden nach einer erneuten Bauverschiebung erwartet. Der überforderte Oberbürgermeister Frank Nopper in der StZ: „Bei so unangenehmen Überraschungen würde man sich am liebsten auf einen anderen Planeten wünschen“ (StZ 20.11.24). Herr Nopper, dort sind Sie doch schon lange. Als OB aus dem beschaulichen Backnang kommend, scheint ihm Stuttgart ein fremder Planet mit galaktischen Problemen zu sein, über dem er als Major Frank schwere- und hilflos schwebt. So wie das Debakel S 21 vorausgesagt wurde, war auch das Operndebakel absehbar. Vorschläge für Alternativen, die von Stuttgarter Architekten und auch von SÖS kamen, wurden wegdiskutiert. Unsere Stadträtin Guntrun Müller-Enßlin, die von Anfang an als Mitglied im Verwaltungsrat der Oper die Diskussion mitführte, schildert uns die Geschichte und unsere Alternativen.
Vor zwei Wochen war es so weit. Wieder einmal rückte die Stuttgarter Oper in den Fokus der Medien. Diesmal ging es nicht um „Sancta Susanna“, sondern um ein Politikum, das die Öffentlichkeit seit langem beschäftigt und für Schlagzeilen in der Presse und für kontroverse Diskussionen gesorgt hat: die geplante Sanierung und Erweiterung des Dreispartenhauses im Schlossgarten. Diese verzögere sich um 4 Jahre, hieß es, da das Interim an den Wagenhallen nicht 2029, sondern erst 2033 bezugsfertig sei. Außerdem sei mit einem erheblichen Baukostenanstieg zu rechnen; Zahlen bis zu drei Milliarden Euro kursierten.
Die Geschichte um die Opernsanierung ist lang; erste Überlegungen dazu reichen bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. 2014 nahm sie dann Gestalt an. Damals sprach sich OB Kuhn während einer Vernissage im Kubus des Stuttgarter Kunstmuseums für die Renovierung aus und brachte dabei 300 Millionen Euro ins Spiel, eine Summe, bei der mir damals schwindelig wurde. „Soviel Geld für ein einzelnes Kultursegment, das ohnehin schon mehr kostet als alles anderen zusammen.“ So dachte nicht nur ich. Der Gegenwind aus der Bevölkerung war beträchtlich und ist es bis heute geblieben. Dabei war die Notwendigkeit einer Sanierung unumstritten, auch bei uns in der Fraktion.
Warum wurde dieses Kleinod heruntergewirtschaftet und nicht
ständig gepflegt?
Entscheidungslosigkeit
In den folgenden Jahren nahm das Projekt Gestalt an – und wurde dabei immer umfangreicher – und teurer. Zum Anfangsanliegen der Sanierung kam der Plan der Erweiterung, die die errechneten Bedarfe unumgänglich zu machen schienen. Gleichzeitig wurde in mehreren Suchläufen nach einem Ausweichquartier für die Oper während der Sanierung geforscht. Ein Interim auf dem Eckensee stand ebenso zur Debatte wie ein Opernneubau und der Abriss des Königin-Katharina-Stifts, das der Modernisierung des Opernbetriebs weichen sollte. Eine Zeitlang war das alte Paketpostamt als vielversprechendes Interimquartier im Gespräch; sogar das Kunstministerin stimmte dafür. Das Vorhaben schien bereits in trockenen Tüchern, ehe es im Mai 2018 hieß, die Interimsoper im Paketpostamt sprenge den Kostenrahmen.
Unsere Fraktion sprach sich damals für die Prüfung des Paketpostamts als Dauerspielstätte für die Oper aus, ein Vorschlag, der wie etliche weitere angeregte Varianten in den Wind geschossen wurde. An der heiligen Kuh des Dreispartenhauses an ein und demselben Ort mochte man nicht rühren. Am Ende bekam die Interimsoper bei den Wagenhallen den Zuschlag, zu deren Erschließungskosten es in einer Zeitungsheadline 2023 hieß, dass diese jetzt 108 Millionen Euro über den Kosten für das Paketpostamt fünfeinhalb Jahre zuvor liege.
Die Kostenexplosion war absehbar
Der Grundsatzbeschluss zur Opernsanierung und -Erweiterung wurde am 28. Juli 2021 im Gemeinderat gefasst. Zur Abstimmung stand ein Gesamtpaket: dieses umfasste nicht nur die Sanierung des Littmannbaus samt Etablierung einer Kreuzbühne und der damit verbundenen Verschiebung der denkmalgeschützten Fassade; beschlossen wurde unter anderem auch ein Neubau des Kulissengebäudes, der als mehrgeschossiger Klotz wie ein Riegel entlang der B14 geplant ist. Unsere Fraktion hat dem Grundsatzbeschluss nicht zugestimmt, da wir die damaligen geschätzten Kosten des Projekts auf eine Milliarde Euro, die je zur Hälfte von Stadt und Land getragen werden sollten, nicht für vermittelbar hielten. Wir kritisierten auch, dass nur eine einzige Option für die Opernsanierung fokussiert wurde und das Projekt nun alternativlos dastehe.
Eine Tatsache, die sich nun rächt. Angesichts des Bekanntwerdens von Zeitverzögerung und möglichen Kostensteigerungen bedürfte es eines kostengünstigeren Plan B, der zeitnah umgesetzt werden kann. Stattdessen ist zu befürchten, dass die gleiche Salamitaktik wie bei S 21 angewandt und fortan eine Kostensteigerung nach der anderen abgenickt wird, weil es keine Alternativen gibt. Die Projektgesellschaft ProWST wollte in der Sitzung des Verwaltungsrats der Staatstheater die kursierenden Zahlen bzgl. eines Kostenanstiegs zwar nicht bestätigen. Doch es braucht nicht besonders viel Fachkenntnis, noch nicht einmal Intelligenz, um zu wissen, dass Bauvorhaben, die in die Verlängerung gehen, noch nie billiger, sondern stets teurer geworden sind. Dennoch einigte man sich im Verwaltungsrat darauf, eine Entscheidung, wie es weitergehen soll, auf seine Sitzung im nächsten Sommer zu verschieben, wenn eine belastbare Kostenplanung vorliegen soll, eine Haltung, die man hinterfragen kann.
Das Foyer der Oper – zeitlos schön
Die Alternativen sind da
Aus unserer Sicht kann es kein Weiterso geben. Die jetzt wieder herausgekramten Alternativen wie Opernneubau, Versetzung des Königin-Katharinen-Stifts, die schon vor Jahren gedreht und gewendet und schließlich zu Recht ausgemustert worden sind, lehnen wir ab, denn sie würden den Fortgang der Sanierung weiter verzögern. Stattdessen muss eine Lösung gefunden werden, mit der man an das Geplante anknüpfen kann, aber in abgespeckter Form.
Warum machen wir nicht aus dem Interimsstandort bei den Wagenhallen eine Dauereinrichtung? Der Siegerentwurf von a+r Architekten GmbH weist einen so hohen Standard aus, dass es Ressourcen-, Energie- und Geldverschwendung ist, das alles wieder ab- bzw. umzubauen. Es gibt eine Kreuzbühne, einen Orchesterprobenraum, ein Kulissenlager und alles, was zum Funktionieren des Opernbetriebs nötig ist. Wieso lassen wir das nicht stehen und machen eine dauerhafte Opernspielstätte daraus? Dann hätte man, wenn der Interimsstandort fertig ist, Zeit, den Littmannbau zu sanieren und zwar in deutlich reduzierter Form, denn zurückkehren in den Littmannbau würde nur das Ballett und wir hätten einen schönen Konzertsaal dazugewonnen. Das würde bedeuten, man braucht dort unten keine Kreuzbühne; die Fassade des Littmannbaus könnte erhalten bleiben, ebenso wie der Böhmpavillon. Wir hätten neben der Liederhalle gleich ein zweites Konzerthaus, so wie auch in Berlin das ehemalige Schauspielhaus am Gendarmenmarkt zum wunderbar restaurierten Konzerthaus wurde.
Sogar auf den Neubau des Kulissengebäudes könnte man verzichten, da der Transport der Kulissen zwischen dem Lager der Zuckerfabrik im Hallschlag und der Spielstätte bei den Wagenhallen abgewickelt werden könnte. Unsere Variante würde deutlich weniger Baumasse an der B14 bedeuten und damit mehr Freiraum für eine städtebauliche Aufwertung und Öffnung des Littmannbaus und des Schauspiels zur B14 hin.
Diese Lösung beinhaltet, dass wir schlussendlich zwei Standorte statt einem hätten. Dem Argument, das sei nicht leistbar, da bei zwei Standorten die Betriebskosten steigen, kann man entgegenhalten, dass man bei zwei Standorten die doppelte Anzahl Sitzplätze hat und auch wesentlich mehr Aufführungen machen kann, wodurch sich auch wieder Einnahmen generieren lassen.
Und übrigens: Die Intendanz präsentiert uns ständig ein heruntergekommenes Haus. Warum wurde in den letzten 20 Jahren während der jährlichen dreimonatigen Spielpause nicht ständig im Bestand repariert, saniert und modernisiert? Das hat doch erstaunliche Parallelen zu Deutschen Bahn.
Autorin: Guntrun Müller-Enßlin, Stadträtin
Bilder: Staatsoper Stuttgart, Wikipedia CC BY-SA 3.0, freigegeben