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Das AfD-Paradoxon: Leere Versprechen für Arme, Geschenke für Reiche

13. Januar 2025

Die Bundestagswahl steht an und ihr Ergebnis wird uns alle betreffen. Dass die Leserinnen und Leser unseres Newsletters die AfD nicht wählen, davon gehen wir aus. Aber wir müssen und können dazu beitragen, dass sie so wenig wie möglich Stimmen bekommt. Wir haben ihre Pläne analysiert, um Ihnen Argumente für die Diskussion im Bekanntenkreis zu geben. 

Bei den vergangenen Wahlen profitierte die AfD überdurchschnittlich von den Stimmen arbeitsloser Menschen: In der Bundestagswahl 2021 erreichte sie bei dieser Gruppe einen Stimmanteil von 17 % (insges. 10%). 2017 waren sogar 21 Prozent aller AfD-Wähler arbeitslos. Auch bei den aktuellen Wahlen in Thüringen wurde sie zu über 50 % von Arbeitern und Arbeitslosen gewählt.

Im Westen konnte die AfD bei den letzten beiden Bundestagswahlen vor allem dort punkten, wo die WählerInnen ein unterdurchschnittliches Haushaltseinkommen aufweisen und/oder einer Tätigkeit in der Industrie nachgehen.

Beim Vergleich der Anliegen der AfD-WählerInnen mit den Einstellungen der Partei stellte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ein bemerkenswertes Paradoxon fest: 

 „Menschen, die die AfD unterstützen, würden am stärksten unter der AfD-Politik leiden, und zwar in Bezug auf fast jeden Politikbereich: Wirtschaft und Steuern ebenso wie Klimaschutz, soziale Absicherung, Demokratie und Globalisierung. Dieses Paradox scheint mit einer falschen Selbsteinschätzung vieler AfD-Wähler*innen und mit einer Fehleinschätzung der gesellschaftlichen Realität zusammenzuhängen.“ (1)

Wie die Nazis 1933 greift die AfD demagogisch Armuts- und Verlustängste auf und gibt sich als Partei der „kleinen Leute“ und Benachteiligten aus. Und sie präsentiert einen „bequemen“ Schuldigen an nahezu allen tatsächlichen Missständen und Ungerechtigkeiten: Migranten und Nicht-Deutsche. Dies folgt einer am Nationalsozialismus orientierten rassistischen und völkischen Ideologie: Ablenkung auf Minderheiten, auf das bedrohliche Fremde.  Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen und Forderungen der AfD sind das Gegenteil einer Politik für Arme und Benachteiligte. Vielmehr heißt AfD: 

Gewerkschaften und selbstbewusste Belegschaften sind  Björn Höcke ein Dorn im Auge. 

AfD: Armut für Deutschland und Aufschwung für Dividenden

BEHAUPTUNG: Die soziale Lage wird sich bei einer AfD-Regierung verbessern.
FAKT IST: Die AfD steht für niedrigere Löhne und mehr Profite.

Die AfD hat im Bundestag immer wieder gegen die Erhöhung des Mindestlohns gestimmt und setzt sich für die Aufweichung der Kontrollmöglichkeiten ein, mit der Begründung „die politische Anhebung des Mindestlohns würde den Markt außer Kraft setzen“ (Beschlussbegründung AfD Bundestagsfraktion, 2022).(2)

Die AfD stimmte im Bundestag in Fragen des Sozialstaats zu 75 % wie die FDP ab: gegen Anträge, die darauf abzielen, sozialstaatliche Leistungen zu erhalten oder auszubauen, und für Anträge, die den Sozialstaat abbauen wollen (Studie der Otto Brenner-Stiftung). (3)
Grundlegende Arbeitnehmerrechte wie Kündigungsschutz oder Mitbestimmungsregelungen betrachtet die AfD als „Wettbewerbsnachteile“ für die deutsche Wirtschaft. (4)
Björn Höcke sind daher die Gewerkschaften ein Dorn im Auge, denn „die alten Kräfte, also die Altparteien, aber nicht nur die Altparteien, auch die Gewerkschaften, vor allen Dingen auch die Angstkirchen, und die immer schneller wachsende Sozialindustrie, die an dieser perversen Politik auch noch prächtig verdient; diese alten Kräfte, die ich gerade genannt habe, sie lösen unser liebes deutsches Vaterland auf wie ein Stück Seife unter einem lauwarmen Wasserstrahl.“ (5)

Die AfD ist gegen eine Vermögenssteuer für Superreiche und unterstützt damit die Ungleichheit. Ihre Steuerpläne sehen außerdem die Abschaffung der Erbschaftssteuer, der Grundsteuer und der Schenkungssteuer vor.  Bei der Einkommenssteuer soll für alle – Einkommensmillionäre wie Geringverdiener – ein einheitlicher Steuersatz von 22 % gelten (Deutscher Bundestag, 16.10.24, Antrag 20/23357). Die dadurch bedingten Mindereinnahmen in Milliardenhöhe sollen – wie alles bei der AfD – durch einen Zuwanderungstop, die weitgehende Abschaffung des Rechts auf Asyl und die Rücknahme aller Klimaschutzmaßnahmen ausgeglichen werden.

Neoliberale Politik und Trumps Turbokapitalismus, Vorbilder der AfD!

Freie Fahrt für Immobilienkonzerne

BEHAUPTUNG: Die AfD steht an der Seite der Familien und Menschen, die sich ihre Wohnung, die Heizkosten und die steigenden Mieten nicht mehr leisten können. 
FAKT IST: Die AfD steht auf der Seite der Immobilienkonzerne und MietwucherInnen.

Beim Bauen, Wohnen und Mieten setzt die AfD vor allem auf Wohneigentum. Staatliche Wohnungsunternehmen sollen verpflichtet werden, ihre Wohnungen zum Kauf anzubieten, und der Staat soll den Erwerb von Wohneigentum durch Bürgschaften unterstützen. Ein Milliardenmarkt für die Banken, eine Armutsfalle für die Käufer und Kreditnehmer. 

Als einzige Partei im Bundestag stimmte die AfD gegen den Bau von Sozialwohnungen. Dazu Alice Weidel: „Sozialer Wohnungsbau kann Engpässe überwinden, aber langfristig müssen wir das schon dem Gleichgewicht des Marktes überlassen. Wir können keine planwirtschaftlichen Mengengrößen setzen.“ (6)

Maßnahmen zur Begrenzung der Mietenexplosion wie Mietpreisbremse, Mietspiegel, Mietendeckel und Kappungsgrenze werden allesamt abgelehnt: „Die AfD steht für ein ausgewogenes Mietrecht und lehnt staatliche Überregulierungen sowie Investitionshemmnisse wie die Mietpreisbremse oder den Mietendeckel ab“ (AfD Programm für Deutschland).

Rentenkürzungen für die Profite der Finanzkonzerne

BEHAUPTUNG: Die AfD steht auf der Seite der Rentner und kämpft gegen Altersarmut. 
FAKT IST: Die Politik der AfD würde die BeitragszahlerInnen und besonders BezieherInnen kleiner und mittlerer Renten noch einmal stärker belasten.

Das Verhältnis der Rentenhöhe zum Durchschnittseinkommen eines Arbeitnehmers, derzeit bei 48,5 %, würde bei einer Umsetzung der AfD Forderungen deutlich absinken. Die AfD will die Unternehmer mit niedrigen Beitragssätzen beschenken, während die Beschäftigten das sinkende Rentenniveau über höhere Beiträge bezahlen sollen. 

Die AfD plant eine umfassende Privatisierung der Altersvorsorge – sie will also RentnerInnen sich selbst überlassen. Die gesetzliche Rentenversicherung soll geschwächt und Beitragsgelder auf die Konten von Finanzkonzernen und privaten Versicherern umgeleitet werden. (7)

Den Rentnern will die AfD weismachen, ohne MigrantInnen hätten sie bessere Renten. Die Studie „Migration und demographischer Wandel“ der Bertelsmann Stiftung stellt fest, dass es in Deutschland ohne Zuwanderung für die künftige Rente schlecht aussieht. (8)
Durch den demografischen Wandel würde das Verhältnis der Rentenhöhe zum Durchschnittseinkommen eines Arbeitnehmers von derzeit 48,7 auf 40,5 Prozent im Jahr 2060 sinken und 2080 nur noch bei 38,8 Prozent liegen. Das drohende Rentendebakel kann laut der Bertelsmann-Studie vor allem mit Hilfe von Zuwanderung abgewendet werden. 

Höhere Renten durch gebärfreudige deutsche Frauen

Dagegen hat die AfD eine ganz andere Lösung. Die Gebärfreudigkeit deutscher Frauen müsse gesteigert werden, um die durch die von der AfD geplanten Zwangsabschiebungen (Remigration) massiv sinkende Zahl von Rentenbeitragszahlern auszugleichen: 

„Die konfliktträchtige Masseneinwanderung ist dafür kein geeignetes Mittel. Vielmehr muss eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung als mittel- und langfristig einzig tragfähige Lösung erreicht werden“ (AfD-Grundsatzproramm). 

So werden im AfD-Grundsatzprogramm klare Vorstellungen über die „einheimische“ Frau und zur Kompensation der angeblich zu niedrigen Geburtenrate formuliert. Deutsche Frauen sollen sich wieder in Vollzeit um die Familie kümmern und viele Kinder bekommen. Abtreibungen sollen verboten werden. Zur Bundestagswahl 2017 warb die Partei mit dem Slogan: „Neue Deutsche? Machen wir selber!“ 

Groß im Bild: eine schwangere Frau mit heller Haut. Das ist das nationalsozialistische Familienbild, das Mutterkreuz wird folgen. (Z)

Zwangsarbeit nach Diktatorenart

BEHAUPTUNG: Die AfD steht auf der Seite der sozial benachteiligten und Arbeitslosen. 
FAKT IST: Die AfD würde die jetzt schon geringe soziale Absicherung ganz auflösen und Zwangsarbeit einführen.

Die AfD will die Bundesagentur für Arbeit auflösen – und damit Kommunen mit der Vermittlung von Arbeitslosen alleine lassen, ohne ihnen zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Sie gefährdet durch ihre Pläne die Arbeitslosenversicherung und die Existenz des Bürgergelds, da diese eng mit der Bundesagentur für Arbeit verknüpft sind. (9)

Die AfD will Erwerbslose zu „Bürgerarbeit“ zwangsverpflichten. Als eigenen Gegenentwurf zum Bürgergeld präsentiert die AfD ein im Nachkriegsdeutschland einmaliges Programm des rigorosen Arbeitszwangs. Wer länger als sechs Monate Grundsicherung bezieht, soll zu „Bürgerarbeit“ zwangsverpflichtet werden und 15 Stunden in der Woche unbezahlt gemeinnützige Arbeit leisten. (10)

Wie kommt es zu diesem „AfD-Paradoxon“? 

Der Sozialabbau, der mit den Hartz – Reformen von Rot-Grün unter Bundeskanzler Schröder eingeleitet wurde, verblasst angesichts der AfD-Pläne. Sie würde den Sozialstaat vollends abschaffen. Eine AfD-Regierung würde gerade die Wählerinnen und Wähler, die auf soziale Absicherungen angewiesen sind, noch ärmer machen. Diejenigen, die in soziale Not und Armut geraten sind, Angst haben, jetzt entlassen zu werden, die nächste Mieterhöhung nicht mehr bezahlen können, und das Gefühl haben, in dieser Gesellschaft die „Arschkarte“ gezogen zu haben, müssen über die AfD aufgeklärt werden. AfD bedeutet für sie erst recht: Arschkarte für Dich! In seiner Studie über das AfD-Paradoxon kommt das DIW zu dem Schluss: Unter dem Strich profitieren von der AfD-Politik vor allem Wohlhabende und Millionäre. Nach neuen Berechnungen des DIW will die AfD die Wirtschaft um 149 Mrd. Euro entlasten, die FDP um 139 Mrd., die CDU um 89 Mrd. Finanziert werden soll dies v.a. über Einsparungen im Sozialbereich (StZ, 8.1.25).

Die AfD wird wohl nicht wegen ihrer konkreten politischen Entscheidungen oder ihrer Sachaussagen gewählt, sondern wegen ihrer rassistischen Erzählungen, mit denen sie die realen Deklassierungs- und Existenzängste des Kleinbürgertums und der Unterprivilegierten trifft. Mit der Benennung von MigrantInnen und Asylsuchenden als Ursache jeden erdenklichen tatsächlichen Missstands trifft sie den Nerv einer seit jeher latent oder offen vorhandenen Ausländerfeindlichkeit gerade der gesellschaftlich Deklassierten. Es ist die demagogische, angstmachende Geschichte von den Massen von Einwanderern, die hierhergeschickt würden, um sich an unseren Leistungen zu bereichern, unsere Kultur zu zerstören und dazu noch massenhaft Leute abzustechen (s. dazu Artikel vom 4.11.24). Mit der Verhinderung dieser „Invasion“ und der Abschiebung derer, die schon hier sind, könnten alle Probleme gelöst werden und der Wohlstand kehre zu denen zurück, die ihn erarbeitet haben. Die dann wieder möglichen Sozialleistungen würden nur noch Bio-Deutsche erhalten. Diese Geschichte wird stündlich in den a-„sozialen“ Netzwerken durch immer neue Schreckensmeldungen verstärkt und diejenigen, die einmal in den Sog geraten sind, sind nur noch schwer von etwas anderem zu überzeugen. Mit der Sündenbocktheorie wird vom Schuldigen an den sozialen Verwerfungen, dem kapitalistischen System, abgelenkt.  

Hinweis: Die vierte Analyse zur AfD als doppelte Kriegspartei erscheint übernächste Woche.

(Z) Das „Ehrenkreuz der deutschen Mutter“ gab es im Hitler-Faschismus ab dem 4. Kind in Bronze, ab dem 6. in Silber, ab dem 8. in Gold. 

Lesen Sie unsere bisherigen Analysen zur AfD auf der SÖS-Homepage:

Analyse des rassistischen Wahlspots der AfD-Brandenburg: 
AfD – Angstmacher für Deutschlands Spaltung

Analyse der politischen Ziele der AfD und ihrer Propagandamethoden:
Geistige Brandstifter im Gemeinderat: Was tun?    

Grafik / Bilder: www.neinzurechts.de , dort als Sticker beziehbar, IGM Böblingen/Sindelfingen, Pexels Timus Weber, AfD-Wahlplakat

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Quellen:

(1) https://www.diw.de/de/diw_01.c.879742.de/publikationen/diw_aktuell/2023_0088/das_afd-paradox__die_hauptleidtragenden_der_afd-politik_waeren_ihre_eigenen_waehler_innen.html

(2) Quelle: Broschüre #noAfD Keine Alternative für Beschäftigte – AfD-Positionen unter der Lupe, S. 6 , https://bayern.dgb.de/service/broschueren/noafd-keine-alternative-fuer-beschaeftigte_1 

(3) Otto-Brenner-Stiftung: https://www.otto-brenner-stiftung.de/sie-moechten/presseinfos-abrufen/detail/news/wirtschafts-und-sozialpolitik-der-afd/news-a/show/news-c/NewsItem/

(4) Quelle: Broschüre #noAfD Keine Alternative für Beschäftigte – AfD-Positionen unter der Lupe, S. 7

(5) Rede 2017 in Dresden, Wortlaut auf: https://www.tagesspiegel.de/politik/gemutszustand-eines-total-besiegten-volkes-5488489.html 

(6) https://www.yumpu.com/de/document/read/67204320/flyer-soziale-frage

(7) Quelle: Broschüre #noAfD Keine Alternative für Beschäftigte – AfD-Positionen unter der Lupe, S. 8,
Quelle: AfD, Reform der Rentenversicherung, Punkt 7; Broschüre #noAfD Keine Alternative für Beschäftigte – AfD-Positionen unter der Lupe, S. 8

(8) https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Presse/imported/downloads/xcms_bst_dms_36564_36565_2.pdf)

(9) Quelle: AfD Grundsatzprogramm 2016 / 2023, Punkt 5.2. https://www.afd.de/grundsatzprogramm/#5

(10) Quelle: Broschüre #noAfD Keine Alternative für Beschäftigte – AfD-Positionen unter der Lupe, S. 17


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