Kurz vor Weihnachten präsentierte OB Nopper den Stadträt*innen wieder einmal eine Überraschung. Ohne Wissen des Gemeinderats hatte man im Zuge des schon 10 Jahre dauernden Rechtsstreits über das Eigentum an der Wasserversorgung einen „Vergleich“ mit der EnBW Netze ausgehandelt, dem der Gemeinderat innerhalb weniger Tage zustimmen sollte. Ansonsten, so wurde gedroht, stünden weitere lange Jahre gerichtliche Auseinandersetzung an und die Stadt verlöre womöglich ihren Anspruch auf das Wassernetz ganz.
Gut, dass sich diesmal eine Gemeinderatsmehrheit nicht unter Druck setzen ließ, den faulen Kompromiss als solchen erkannte und die Entscheidung vertagte.
Die Vorgeschichte
Im Zuge des neoliberalen Privatisierungs-Hypes hatte die Stadt Stuttgart 2002 mit ihren Technischen Werken (TWS) neben der Fernwärmeversorgung und vielem anderen auch das Stuttgarter Wassernetz an den Atomkonzern EnBW verscherbelt. Eine ganz große Koalition einschließlich Grünen und SPD hob dafür die Hand.
Dass die Wasserversorgung zweifellos zur kritischen Infrastruktur gehört und der kommunalen Daseinsfürsorge unterliegt war den Stadträt*innen wohl zweitrangig. Sie lockte das große Geld für das städtische Haushaltskonto.
Gemeinderat übernimmt Bürgerbegehren und beschließt Wasserrückkauf
10 Jahre später, schien man nach langen Protesten den Fehler eingesehen zu haben. Nachdem das Stuttgarter Wasserforum ein erfolgreiches Bürgerbegehren zum Rückkauf der Wasserversorgung organisiert hatte, übernahm eine Gemeinderatsmehrheit die Forderung der Bürger*innen und beschloss den Rückkauf des Wassernetzes ab 2014. Die SPD – einst heftige Befürworterin des Verkaufs ernannte sich gleich selbst zum Vorreiter einer Rekommunalisierung und zog mit dem Slogan: „Wir holen unser Wasser zurück“ in den Kommunalwahlkampf.
Also alles gut, Fehler korrigiert? Leider nein. Während die Umsetzung des Fehlbeschlusses umgehend erfolgte, zieht sich die Korrektur jetzt schon über 10 Jahre. Die EnBW wollte sich ihr höchst profitables Geschäftsfeld nicht wieder nehmen lassen ohne kräftig abzusahnen und forderte zwischen 700 und 480 Millionen als Kaufpreis. Ein Vielfaches dessen, was sie ursprünglich bezahlt hatte. Die Stadt wollte unter 200 Mio. bleiben. Zum Vergleich: 2009 hatte die EnBW den Wert der Wasserinfrastruktur mit 160 Mio. angegeben, konnte sich später aber daran nicht mehr so genau erinnern.
In dem Streit um das 2500 Kilometer umfassende Wassernetz zeigte die Stadtspitze allerdings leider wenig Elan, den Wasser-Rückkauf durchzusetzen. Der Streit befindet sich immer noch in der ersten Instanz.
Der aktuelle „Vergleich“ ist das Gegenteil eines Rückkaufs
Der nun am Gemeinderat vorbei ausgehandelte „Vergleich“ entspricht in keiner Weise dem vom Gemeinderat übernommenen Bürgerbegehren und bevorzugt die EnBW einseitig. Die Wasserversorgung bliebe für weitere 20 Jahre in der Hand der EnBW-Netze. Die Stadt hätte keine rechtssichere Rückkaufoption mehr, denn bis 2040 sind Änderungen im EU-Wettbewerbsrecht nicht ausgeschlossen. Und selbst der Preis eines Rückkaufs bliebe weiter offen. Die magere Gegenleistung: Die Stadt erhält 1% (!) Anteile an der Netze BW-Wasserversorgung mit den gesetzlichen Rechten einer 25,1% Beteiligung, sowie 2 Sitze im Aufsichtsrat einer neu zu gründenden EnBW Netze Wasser GmbH.
SÖS für sofortigen Rückkauf der Wasserrechte
Wasser ist ein immer knapper werdendes Gut, das in die öffentliche Hand gehört und nicht privat vermarktet werden darf. Die EnBW AG ist ein börsennotiertes Unternehmen, das dem Zwang zur Gewinnmaximierung unterliegt. Die Behauptung der Vergleichs-Befürworter, die EnBW läge ja in öffentlicher Hand von Land und Zweckverbänden und deshalb handle es sich gar nicht um eine „Privatisierung“ widerlegt SÖS-Stadtrat Rockenbauch mit einem Beispiel: “Da muss man ja nur auf den Verkauf von 49,9 % der TransnetBW schauen. Die öffentliche Hand, sprich die grüngeführte Landesregierung, interessiert das nicht – im Gegensatz zu Blackrock. Die EnBW will als Akteur auf dem Kapitalmarkt immer den maximalen Profit. Die Kommune will eine gute Daseinsvorsorge – das passt nicht zusammen.”
Eine Zustimmung zur geplanten “Einigung” wäre gleichbedeutend mit einem Weiter so. 20 Jahre würde der Streit zugunsten der EnBW auf Eis gelegt. Danach begänne das Tauziehen aufs Neue. Eine Entscheidung und die Rückgabe der Wasserrechte an die Kommune würde auf unabsehbare Zeit verschoben und wäre alles andere als gesichert. In zwanzig Jahren würden unsere Nachkommen genau da stehen, wo wir heute stehen.
Deshalb tritt SÖS für einen sofortigen Rückkauf der Wasserrechte ein. Das Geld dafür ist da.
Bilder:
Titelbild: Roland Hägele
Bild Unterschriftenübergabe: Privat