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Stuttgart 21 – Bauen und kein Ende

10. Oktober 2023

Blicken Sie noch durch bei Stuttgart 21? Ständig Neu- und Umplanungen, Prozesse um die Finanzierung, Ankündigungen und Rücknahme der Eröffnungstermine. Wir baten das Aktionsbündnis Stuttgart 21, für uns in einer mehrteiligen Artikelserie den Stand des Elends, Neudeutsch ELänd, zu beschreiben und vielleicht auch, ob es noch Wege aus dem Milliardengrab gibt.

Angesichts derzeitiger massiver Probleme mit der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit des Bahnverkehrs und insbesondere der S-Bahn in der Region Stuttgart versprechen die Verantwortlichen einmal mehr eine rosige Zukunft. Die Verheißungen konzentrieren sich auf Dezember 2025. Denn da soll Stuttgart 21 in Betrieb gehen und das Leiden ein Ende haben.

Zeit für einen Überblick, was uns nach derzeitigen Planungen in den nächsten Jahrzehnten bei Stuttgart 21 erwartet. Informierte Kreise munkeln, der Termin zur Inbetriebnahme werde sich nicht halten lassen. Ohnehin werden bis dahin nicht alle vorgesehenen baulichen und betrieblichen Maßnahmen umgesetzt sein. Beispielsweise soll der Anschluss an die Neubaustrecke in Richtung Ulm über Fildertunnel und Flughafen erst 2027 erfolgen.

Das ELänd kann noch Jahrzehnte dauern

Bei den derzeitigen Arbeiten an den zum Projekt gehörenden Bahnhöfen sowie den rund 60 km Tunnelröhren sind einzelne Abschnitte in Verzug. Schon deswegen kann sich die Inbetriebnahme verschieben. Gut möglich auch, dass die offenkundigen Mängel bei Leistungsfähigkeit und Brandschutz zu Problemen bei der Inbetriebnahmegenehmigung führen und das Eisenbahn-Bundesamt ergänzende bauliche Maßnahmen anordnen wird.

Wie bereits die elfwöchige Vollsperrung der Bahnstrecke zwischen Stuttgart-Bad Cannstatt und Waiblingen gezeigt hat, führt der nachträglich auf Stuttgart 21 aufgepfropfte digitale Bahnknoten zu umfangreichen zusätzlichen Arbeiten, Sperrungen und Schienenersatzverkehr. Dies ist dem elektronischen Zugsteuerungssystem ETCS geschuldet, verbunden mit neuen Stellwerken, Signalen und Kabelsträngen. Überraschungen sind vorprogrammiert, spricht doch die Bahn selbst davon, es gäbe keine Blaupause.

Bekanntlich soll die Gäubahn, welche von Singen zum Stuttgarter Hauptbahnhof führt, vor Inbetriebnahme von S 21 in Vaihingen gekappt werden. Die Panoramastrecke soll dann saniert und nur noch bis zu einem Halt in der Nähe des Nordbahnhofs geführt werden. Nähere Planungen für den Nordhalt oder gar ein Planfeststellungsbeschluss existieren noch nicht.

43. MontagsDemo am Nordflügel mit anschließender Blockade von OB Schuster in der Staatsgalerie.

Mit noch mehr Tunnels aus der Sackgasse?

Damit nicht genug: Die fehlende Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs und die ungelöste Trassenführung der Gäubahn zum Flughafen sollen durch aufwändige Zusatzprojekte (fast im Umfang von Stuttgart 21) ausgeglichen werden. Zwischen Böblingen und dem Flughafen soll für die Gäubahn der größte Eisenbahntunnel Deutschlands, der Pfaffensteigtunnel, entstehen. So soll der Anschluss an die Strecke von Stuttgart 21 erfolgen. Dafür gibt es noch keine fundierte Planung oder gar eine Planfeststellung. Die Bahn selbst geht von etwa sieben Jahren Bauzeit aus, realistisch scheinen deutlich mehr als zehn Jahre. Ähnlich unkonkret ist der geforderte Nordzulauf mit Untertunnelung von Zuffenhausen, Feuerbach und Stammheim. Hinzu kommen sogenannte Erweiterungsoptionen. Die neueste Idee ist der Ausbau der Bahnhöfe Feuerbach, Bad Cannstatt und Vaihingen zu Regionalbahnhöfen.

Nicht zu vergessen ist die Freimachung des Gleisvorfeldes samt Abstellbahnhof am jetzigen Kopfbahnhof. Schon die Beseitigung des kontaminierten Erdreichs und die Vorbereitung des Geländes werden einige Jahre in Anspruch nehmen. Danach soll der Bau des neuen Stadtviertels Rosenstein erfolgen. Bis alles umgesetzt sein wird, werden wir uns in den Vierzigerjahren befinden.

Das endlose Bauen ist immer mit Sperrungen, Schienenersatzverkehr, Ausdünnung der Fahrpläne und Umleitungen verbunden. Das betrifft sämtliche Bahnstrecken in der Region und wird selbst nach Aussagen der Bahn die kommenden Jahre so weitergehen. Konkret sind in den nächsten Wochen zum Beispiel Feuerbach und Waiblingen – Schorndorf betroffen. Zudem wird ein Teil des Fernverkehrs nach Esslingen und Kornwestheim statt zum Hauptbahnhof geleitet.

Wer nun glaubt, die noch Jahrzehnte andauernden Bauarbeiten seien das einzige Problem des Projekts, hat sich allerdings getäuscht. Darüber wollen wir in weiteren Berichten aufklären.

Dieter Reicherter

Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21

Bilder:
Demo: Roland Hägele
Postkarte: Privatarchiv, Martin Storz


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