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Neuordnung der Wasser- und Energieversorgung

19. Oktober 2007

Haushaltsantrag vom 19.10.2007 (Nr. 746/2007)

Mit dem Verkauf der gesamten Wasser- und Energieversorgung an die EnBW hat die Stadt Stuttgart einen außerordentlich wichtigen Bereich vollständig aus ihrer Hand gegeben und sich damit sämtlicher Möglichkeiten zu dessen Gestaltung beraubt.

Sowohl aus Gründen der Daseinsvorsorge für ihre Bevölkerung als auch wegen der im Zusammenhang mit dem drohenden Klimawandel dringend notwendigen Maßnahmen, muss die Stadt ihre Handlungsfähigkeit in diesen Bereichen unbedingt wieder zurückgewinnen.

Ich beantrage deshalb:

1. Strukturelle Überlegungen

Die Stadt Stuttgart gründet einen städtischen Eigenbetrieb mit dem Ziel, die Wasserversorgung sofort, die Strom- und Wärmeproduktion nach und nach in Richtung einer autarken Versorgung zu entwickeln.

2. Wasserversorgung

Der Gemeinderat beauftragt die Stadt mit der unverzüglichen Aufnahme von Verhandlungen mit der EnBW mit dem Ziel
– die früheren Anteile an den kommunalen Wasser-Zweckverbänden wieder selbst zu übernehmen und
– die komplette Wasserversorgung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zurück zu erwerben.
Die Stadt stellt damit dauerhaft die Versorgung ihrer Bürger mit dem für alles Leben unverzichtbaren Wasser sicher und entzieht sie allen überwiegend oder gar ausschließlich an wirtschaftlichen Aspekten interessierten unternehmerischen Einflüssen. Die praktische Umsetzung soll erste Aufgabe des oben genannten Eigenbetriebs sein.

3. Strom- und Wärmeversorgung

Die Stadt Stuttgart setzt sich das Ziel, sowohl für die Stadt selbst als auch für ihre Bürger nach und nach eine Strom- und Wärmeversorgung zu realisieren, die sich ausschließlich auf die Produktion aus regenerativen Energien stützt. Dabei ist ein Kooperation städtischer und privater Energieerzeuger erforderlich. Ein Rückkauf der "alten" Energieversorgung wäre sinnlos, da Strom aus Kernkraftwerken und fossilen Energieträgern ein Auslaufmodell ist.

3.1 Stromproduktion

Inzwischen gehen Fachleute davon aus, dass bis in spätestens 6 – 8 Jahren die Stromproduktion aus Solarzellen wirtschaftlich sein wird. Dies deshalb, weil die Kosten solarer Produktion kontinuierlich zurückgehen, während andererseits bei fossilen Energien eine vermutlich rasante Verteuerung zu erwarten ist. Ähnliches gilt für viele Möglichkeiten regenerativer Stromproduktion (z.B. Kraft-Wärme-Kopplung oder Biogasanlagen).

Deshalb muss die Stadt Stuttgart dringend damit beginnen, solche Lösungen bei allen dafür geeigneten städtischen Gebäuden zu realisieren. Darüber hinaus sollen Bürger dabei unterstützt werden, selbst auch zu handeln, indem städtische Beratung (z.B. durch das Energieberatungszentrum) sie sowohl über vorteilhafte technische Lösungen als auch über die Möglichkeiten staatlicher Förderung informiert.

Über die unmittelbare Nutzung hinaus sollen die gewonnenen Strommengen zunächst im Rahmen des Energieeinspeisegesetzes verwendet werden. Erst wenn die Entwicklung so weit vorangeschritten ist, dass größere Mengen regenerativen Stroms zur Vermarktung zur Verfügung stehen oder gar Autarkie bei der Versorgung abzusehen sein sollte, muss geklärt werden, welche Lösung hinsichtlich der Verfügung über das Netz sinnvoll ist. Basis ist dann die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage.

In diesem Zusammenhang ist auch zu überlegen, ob der sicher sehr wirtschaftsstarke Energiebereich wieder zur Quersubventionierung des ÖPNV genutzt werden kann, wie dies früher zwischen TWS und SSB der Fall war.

3.2 Wärmeproduktion

Ein in den ersten Jahren vermutlich noch wichtigeres Standbein als die Stromproduktion muss die von der Stadt mit ihren Bürgern gemeinsam zu entwickelnde Wärmeproduktion in der Form des Aufbaus von überwiegend kleinräumigen Nahwärmenetzen sein. Bei Neubaugebieten, bei größeren Projekten im Bestand, beim Neubau städtischer Gebäude und bei aufwändigen Sanierungen soll die Einrichtung von Nahwärmenetzen zwingend vorgeschrieben werden. Die Stadt Stuttgart soll Mittel für die Erarbeitung eines Konzepts zur Verfügung stellen, mit dem die Grundlagen für die Erstellung solcher Anlagen geschaffen werden, mit denen sowohl für Wohn- als auch für Verwaltungsgebäude Heizwärme, Warmwasser und mit Hilfe von Kraft-Wärme-Kopplung auch Strom bereitgestellt werden. Dieses Konzept kann die Stadt in eigener Regie, mit Hilfe des Energieberatungszentrums Stuttgart oder auch mittels einer Ausschreibung in Angriff nehmen.
Auch dabei muss die Stadt vorangehen, indem sie solche Lösungen bei zuvor energetisch optimal sanierten eigenen Gebäuden realisiert.
Ziel muß sein, mit dem Einsatz aller heute zur Verfügung stehenden Technologien (Blockheizkraftwerke – möglichst mit erneuerbaren Energien betrieben, Biogasanlagen, Sonnenkollektoren, Solarzellen, Erdwärme) Lösungen zu erarbeiten, die die ökologisch und ökonomisch sinnvollste Wärmeversorgung ermöglichen. Dabei muss auf jeden Fall der vollständige Wärmebedarf abgedeckt und auch der jeweilige Strombedarf weitgehend bereitgestellt werden.

Die Stadt Stuttgart soll solche Lösungen für eigene Gebäude sehr rasch modellhaft realisieren, um dadurch Initiator auch für private Interessenten zu sein. Der gesamte Gebäudebestand der Stadt Stuttgart (auch hier einschl. der Wohnungen der SWSG) soll auf die Realisierbarkeit dieser Möglichkeiten überprüft werden. Ziel muss sein, solche Verbesserungen überall wo sie möglich sind, bis zum Jahr 2012 realisiert zu haben.

So rasch wie möglich sollen auch hier die Bürger mit eigenen Lösungen nachziehen. Dabei kann es Fälle geben, wo private Gebäude über städtische Anlagen mitversorgt werden, genau wie eigenständige private Wärmenetze, für die es aber städtischer Unterstützung bedarf. Bei geeigneten Vorhaben privater Bauherren soll die Stadt die Erarbeitung der jeweils sinnvollsten Lösung ganz finanzieren; für die technischen und baulichen Maßnahmen sollen Zuschüsse gewährt werden.

Für diese beschriebenen Ziele beantrage ich

* 500 Mio. Euro für die Förderung privater Energieerzeuger regenerativer Energie und
* 500 Mio. Euro für die Förderung städtischer Energieerzeuger regenerativer Energie in den Haushalt einzustellen.

4. Schlußbemerkung

Die Landeshauptstadt muss unbedingt sofort den Rückkauf der Wasserversorgung und – später – des Stromnetzes bei den Eigentümern der EnBW beantragen (51 Prozent der EnBW sind noch in kommunaler Hand!). Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass eine Stadt mit den materiellen Möglichkeiten Stuttgarts sich einer derart zentralen Zukunftsaufgabe ganz besonders zuwendet. Eine Reihe kleinerer Gemeinden, vor allem in Österreich, aber auch in Deutschland, haben es tatsächlich bereits geschafft, ohne Zukäufe energieautark zu sein. Warum sollen wir uns nicht das ehrgeizige Ziel setzen, die erste Großstadt zu sein, der das gelingt?

Hannes Rockenbauch


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