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OB Nopper begrüßt Bruch der Menschenrechte

19. Juni 2023

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen,“ heißt es im ersten Artikel der Menschenrechte. Gilt dies auch immer für Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper? Zweifel sind angebracht nach den Äußerungen OB Noppers zu den neuen Asylbeschlüssen.

Statt über die Schutzbedürftigkeit Zuflucht suchender Menschen, wird in diesen Tagen über den Schutz der Grenzen diskutiert. Die EU-Innenminister*innen einigten sich auf eine Änderung des europäischen Asylrechtes, die Haftzentren an den EU-Außengrenzen und Abschiebungen in fast beliebige außereuropäische Staaten vorsieht. „Solidarisches Aufnahmesystem? Fehlanzeige. Mit brutaler staatlicher illegaler Gewalt werden Zuflucht-Suchende von Europa ferngehalten oder sitzen verzweifelt in Elendslagern fest.

Auch die Bundesregierung stimmte dem „Ausverkauf der Menschenrechte“ zu, kritisiert ‚Pro Asyl‘.

Laut Stuttgarter Zeitung bewertet OB Nopper den Asylbeschluss als „gut und richtig“. Er sei „geradezu überfällig.“ „Nur wer diejenigen zurückweist, die kein Bleiberecht haben, wird auf Dauer noch diejenigen aufnehmen können, die wirklich verfolgt sind.“ Tja, Herr Nopper, wer weiß denn, wer wirklich verfolgt wird?

Geradezu zynisch ist es, wenn OB Nopper Menschen, die vor Armut, Krieg und Verfolgung fliehen, am liebsten in Haftzentren weit weg von Stuttgart unterbringen will, weil Originalton Nopper: „wir längst an der Grenze des Organisierbaren und Machbaren angelangt sind.“  Er befürchtet, in größerem Maße Sporthallen belegen zu müssen, wodurch die Akzeptanz in der Bevölkerung verloren ginge. Wie wäre es denn mit einer Zwischennutzung des ‚Stöckach-Areals‘ durch Zuflucht-Suchende Menschen? Oder die Nutzung leerstehender Wohnungen und Bürogebäude in unserer Stadt?

Deutsche Emigranten gehen an Bord eines in die USA fahrenden Dampfers (um 1850)

OB Nopper in 500jähriger kolonialer Denktradition: Europa First!

Die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine benötigen kein Visum für die Einreise, sonst wären auch sie Teil der Debatte um die Eindämmung der »illegalen Migration«. Eine Forderung, auf die glücklicherweise aktuell niemand käme. Im Gegenteil. OB Nopper unterstützt diese zu Recht mit allem, was der Stadt möglich ist. Doch Menschen, die aus Afghanistan, dem Iran, Syrien, der Türkei zu uns kommen wollen, will sich der OB vom Leibe halten. Das riecht förmlich nach Mikro-Rassismus eines weißen Mannes.  

OB Nopper will den Zuzug von Menschen verhindern, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen wollen. Zur Erinnerung: Es waren vor allem wirtschaftliche Gründe, die dazu führten, dass noch bis Ende der 1950er Jahre viele Menschen aus dem armen Württemberg in die USA, Kanada oder Australien auswanderten, um woanders ihr Lebensglück zu suchen. Noch deutlicher gesagt:

Unsere europäischen Vorfahren ließen sich in den letzten 500 Jahren als Wirtschaftsflüchtlinge missbrauchen, um Länder zu kolonialisieren und die indigene Bevölkerung auszurotten. „Europa First!“ – dafür wurden Afrika und Lateinamerika ausgeraubt. „Europa First!“ – 500 Jahre Kolonialisierung kommen jetzt als Bumerang zurück. Und wieder handelt die Politik nach der Devise „Europa First!“ – das ist der rassistische Geist der Asylbeschlüsse, von dem auch Nopper infiziert zu sein scheint.

Stuttgart ist seit 2020 Partner im Bündnis „Städte Sicherer Häfen/Seebrücke“. Das Ziel: Die humanitäre Katastrophe im Mittelmeerraum und an den europäischen Außengrenzen zu beenden. Unsere Stadt erklärte sich bereit, aus Seenot gerettete Menschen zusätzlich aufzunehmen. OB Nopper sagte damals noch, was wir von SÖS heute wieder von ihm einfordern:

„Menschen auf der Flucht und in Not haben unsere Hilfe, Unterstützung und Solidarität verdient.“

Titelbild: Österreichisch-Ungarische Auswanderer auf einem Schiff in Triest Anfang des 20. Jahrhunderts
Bilder: gemeinfrei – Quelle Commons Wikipedia


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